LNG kann Russengas nicht ersetzen

Österreich würde 80 LNG-Schiffe mit 225 Mio. Euro pro Stück brauchen

LNG-Tanker beim Andocken an einen Terminal: Weltweit gibt es zu wenig Schiffe, um Europa mit Flüssiggas zu versorgen.
LNG-Tanker beim Andocken an einen Terminal: Weltweit gibt es zu wenig Schiffe, um Europa mit Flüssiggas zu versorgen. © aerial-drone - stock.adobe.com

Als Ersatz für russisches Gas wird oft Liquid Natural Gas (LNG) genannt, also Flüssigerdgas. Dieses kann jedoch russisches Gas in den nächsten Jahren nicht ersetzen, weil die LNG-Infrastruktur in Europa nicht ausreicht.

In der EU wurden 2020 380 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht – 8,9 Milliarden davon in Österreich. Die Produktion in der EU hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert. 80 Prozent des Bedarfs stammen aus Importen, mehr als 40 Prozent liefert Russland. Dass es zu Gas-Lieferunterbrechungen kommen könnte, galt bisher als unwahrscheinlich, wird aber nicht mehr ausgeschlossen.

Kurzfristiger Ersatz laut Experten nicht möglich

Die EU-Kommission habe eine solche Situation vorbereitet, sagte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans am Mittwoch in Brüssel, ohne weiter zu konkretisieren. Russisches Pipeline-Gas durch LNG aus den USA, Katar, Algerien, Ägypten etc. zu ersetzen, ist aber kurzfristig nicht möglich, sind sich Gas-Experten einig.

Selbst wenn die gesamte Kapazität aller LNG-Terminals in der EU – das sind knapp 160 Mrd. Kubikmeter Gas – völlig ungenutzt wäre, würde sie nicht ausreichen. Der Bau eines Terminals dauert rund drei Jahre. Deutschland als einer der größten Gasverbraucher hat kein LNG-Terminal.

Zu wenig LNG-Tanker

Auch LNG-Tankschiffe sind nur begrenzt verfügbar: Weltweit gibt es etwa 500, die meisten sind in Asien unterwegs. Ein LNG-Schiff mit 125.000 Kubikmetern Fassungsvermögen kann so viel Gas transportieren, wie es 75 Millionen Kubikmetern Pipeline-Gas entspricht. Der Bedarf in Österreich liegt bei rund dem 120-fachen. Der Energiewert dieser Menge beträgt laut Carola Millgramm, Leiterin der Gas-Abteilung beim Energieregulator E-Control, 740 bis 850 GWh, je nach Heizwert des Gases. Die größten LNG-Schiffe habe Katar, mit einer Transportkapazität von mehr als 260.000 Kubikmetern.

Die großen Schiffe kosten rund 250 Mio. Dollar (225,5 Mio. Euro) pro Stück. 80 Prozent des in Österreich verbrauchten Gases kommt aus Russland. Wollte man dieses Gas durch LNG ersetzen, bräuchte man alleine für Österreich rund 80 Tankschiffe. Österreich könnte LNG im Reverse Flow über die TAG-Leitung aus Italien beziehen, sagt Millgramm. Die Trans Austria Gasleitung bringt normalerweise russisches Erdgas von Baumgarten/NÖ bis Norditalien.

LNG könnte auch aus Deutschland nach Österreich transportiert werden sowie vom Terminal auf Krk in Kroatien, wo es aber noch keine Import-Infrastruktur gebe. „Wenn man das russische Gas längerfristig ersetzen will, muss man wohl auch mittel- bis längerfristige Verträge mit LNG-Lieferanten abschließen.“

Flüssiggas = Frackinggas

LNG aus Nordamerika, Norwegen, Katar oder Algerien sei zudem das in Österreich von Umweltschützern kritisierte Fracking-Gas. Spekulationen, dass Russland technisch nicht in der Lage wäre, seine Gasproduktion und Lieferung nach Europa kurzfristig zu stoppen, lassen nach Ansicht der E-Control-Expertin außer Acht, dass Russland das geförderte Gas auch speichern könnte. „Russland hat große Gasspeicher mit etwa 70 Milliarden Kubikmetern Speichervolumen, die sind nach dem Winter leer gewesen.“

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