Mercedes-Chef sieht Retailer als Rückgrat des Firmenerfolgs

Für Niels Kowollik, seit kurzer Zeit CEO von Mercedes-Benz Österreich, ist das Agenturmodell ein Erfolg, welches er hierzulande weiterentwickeln will, wie er im Interview sagt.

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Wie läuft es heuer für Mercedes-Benz Pkw?

NIELS KOWOLLIK: Das Geschäft im Vorjahr hat uns von den Absatzzahlen nicht zufriedengestellt. Finanziell war es ein großer Erfolg, weil wir einen gelungenen entsprechenden Modellmix haben und wir auch unsere Preise durchsetzen konnten. Das hängt auch mit dem Agenturmodell – also unserem Direktvertriebsmodell – zusammen. Eine schöne Entwicklung hatten wir letztes Jahr im After-Sales-Bereich. Hier konnten wir ein Rekordergebnis einfahren. Wir haben nun im ersten Quartal im Verkauf mit Maßnahmen gegengesteuert, Konditionen verbessert, und nun befindet sich unser Auftragseingang auf dem angestrebten Niveau. Wir haben seit drei Jahren nicht mehr so viele Angebote gelegt wie aktuell. Und was wir von Angeboten in verkaufte Autos umlegen konnten, war im Februar deutlich vierstellig.

Wer pusht dabei Ihr Geschäft? Die Privat- oder die Firmenkunden?

Es ist ziemlich ausgewogen mit einem leichten Überhang bei den Businesskunden. Es unterscheidet sich ein wenig, wenn man auf die Antriebsformen schaut. Da merken wir einen deutlichen Überhang bei den Firmenkunden bei Elektroautos. Das hängt mit verschiedenen Faktoren, etwa steuerlichen Begünstigungen, zusammen. Hier halten sich Privatkunden noch zurück, was aber generell am Markt zu beobachten ist.

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Sie erwarten daher als Geschäftsführer Marktanteilsgewinne für Mercedes-Benz gegenüber dem Vorjahr?

Ja. Wir werden allerdings vermutlich bei den Absatzzahlen nicht unsere Hauptkonkurrenten einholen. Das ist auch nicht mehr unser vorrangiges Ziel. Statt auf reines Volumen schauen wir mehr auf nachhaltige Profitabilität. Uns geht es darum, die Basis zu schaffen, dass Mercedes-Benz auch in zehn, fünfzehn Jahren ein führender Automobilhersteller sein wird.

Wie wird sich der Pkw-Gesamtmarkt in Österreich entwickeln?

Ich erwarte ein ähnliches Niveau wie 2023. Da wird es keine großen Sprünge geben, dafür gibt es zu viele Unsicherheiten.

Welche beispielsweise?

Das Zinsumfeld, aber auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Unsicherheiten in Bezug auf den Antriebsstrang.

Wie sehr spielt es da eine Rolle, dass immer mehr chinesische Autohersteller ihre E-Autos nach Europa bringen?

Diese Tendenz ist in unserer Konzernstrategie durchaus berücksichtigt. Wir werden uns künftig bestimmten Preissegmenten eher zurückziehen, weil diese nicht mit unseren Qualitäts- und Profitabilitätszielen zusammengehen. Man mag es bedauern, dass wir in einigen Jahren in einigen Segmenten nicht mehr mit Fahrzeugen vertreten sein werden. Aber da gibt es Marktteilnehmer, die in guter Qualität E-Fahrzeuge mit genügenden Reichweiten für einen Gutteil des Bedarfs anbieten werden können. In jedem Segment mit dem Anspruch von Mercedes-Benz mithalten zu wollen, wäre töricht.

Rächt es sich, dass Mercedes-Benz eher später in den Markt für E-Autos eingestiegen ist?

Es stimmt, wir waren nicht die allerersten Pioniere. Diesen sind wir dankbar, aber inzwischen haben wir mehr als aufgeholt. Wir konzentrieren uns auch bei Elektroautos daher auf Segmente, in denen wir technisch, qualitativ und als Marke eine Position haben, die wir langfristig verteidigen können. Davon bin ich fest überzeugt.

Wird sich die Elektromobilität a la longue durchsetzen?

Nach allem, was wir aktuell wissen, bin ich davon felsenfest überzeugt. Natürlich entscheidet dies prinzipiell der Markt, aber die Gesamtentwicklung spricht aktuell doch deutlich für die Elektromobilität. Letztlich ist es nur ein gradueller Unterschied, ob beispielsweise im Jahr 2035 80 oder 91 Prozent der verkauften Neuwagen rein elektrisch sein werden. Tatsache ist, dass wir diesbezüglich eine gewaltige Transformation erleben. Wir merken auch, dass Menschen, die über längere Zeit in Berührung mit E-Fahrzeugen gekommen sind, davon durchaus überzeugt sind.

Sie waren bei Mercedes-Benz schon für viele Märkte verantwortlich. Welche Eigenheiten gibt es auf dem österreichischen Markt?

Die NoVA ist schon ein sehr speziell österreichisches Phänomen. Und das Thema Allrad ist hierzulande auch überdurchschnittlich ausgeprägt. Das hängt natürlich mit der Topographie und dem Klima zusammen.

Welche aktuellen Projekte treiben Sie in Österreich voran?

Wir entwickeln unser Direktvertriebsmodell weiter. Damit sind wir seit gut zweieinhalb Jahren live und es funktioniert. Das bestätigen uns auch unsere Handelspartner, wenn auch mehr oder weniger euphorisch.

Mehr oder weniger euphorisch. Was heißt das?

Bei aller Rationalität bezüglich der Vorteile des Direktvertriebs, geht es oftmals um Emotionen. Dass unsere Handelspartner die Preise nicht mehr selbst festsetzen können, wurde nicht immer goutiert, weil es als Verlust der Kompetenz gesehen wurde. Dass dadurch allerdings für unsere Agenten die Lagerkosten – speziell bei den jetzt hohen Zinsen – deutlich gesunken sind, ist zweifelsohne ein Vorteil. Ich denke, wir werden aber mittelfristig sicherlich alle von dem Direktvertriebsmodell überzeugen können.

Werden in einigen Jahren mehr als die Hälfte der Pkw in Österreich online verkauft werden?

Das halte ich persönlich für unrealistisch. Ich glaube, unter bestimmten Voraussetzungen, ist ein substanzieller Prozentsatz aber möglich. Dafür müssten aber beispielsweise Lager aufgebaut werden, denn Onlinevertrieb ist ein Lagergeschäft. Der stationäre Retailer bleibt auf absehbare Zeit Rückgrat des Unternehmenserfolgs.

Wie wichtig ist innerhalb Österreichs Oberösterreich für Mercedes-Benz?

Extrem wichtig. Es ist eine hoch industrialisierte Gegend mit vielen Unternehmen und vielen Menschen, die überdurchschnittliche finanzielle Möglichkeiten haben.

Welche Modellneuheiten gibt es heuer bei Mercedes-Benz?

Als allererstes muss man da in Österreich wohl den neuen G nennen, den es auch vollelektrisch geben wird. Da sind wir sehr euphorisch, auch wenn ich jetzt noch nicht mehr dazu offiziell sagen kann. Dazu kommen diverse Versionen von CLE Coupé und CLE Cabrio und zu guter Letzt auch das Mercedes-Maybach EQS SUV, das wirklich ein feines Auto ist.

Wie gut haben Sie sich schon in Österreich eingelebt?

Ich war, wie wohl jeder Europäer, schon oft als Tourist in Österreich, etwa als Motorradfahrer. Ich lese gerne österreichische Autoren, wie zum Beispiel Friedrich Torberg. Eingelebt habe ich mich schon sehr gut und von den Kolleginnen und Kollegen wurde ich sehr herzlich aufgenommen.

Von Oliver Koch

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