Milliardengewinn für voestalpine

Der Stahlriese voestalpine hat 2022/23 in einem schwierigen Gesamtumfeld viel investiert, massiv Schulden abgebaut und unter dem Strich weniger Gewinn erzielt. Es blieb ein Überschuss von 1,2 Mrd. Euro – um 11,4 Prozent weniger als im Jahr davor, wie der Konzern am Mittwoch bekanntgab.

Der Vergleichswert aus dem Jahr davor enthielt allerdings ein Aufwertungsergebnis aus dem Verkauf des Roheisenwerks in Texas an ArcelorMittal von 257 Mio. Euro. „Dieser Einmalertrag fällt natürlich heuer weg“, erklärte Finanzvorstand Robert Ottel in einer Pressekonferenz. Die Voest veräußerte einen 80-Prozent-Anteil und hält nun 20 Prozent.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr sank der Gewinn je Aktie (EPS) den Angaben zufolge um 17,4 Prozent von 7,38 auf 6,01 Euro. Die Dividende soll laut Vorschlag des Managements an die Hauptversammlung am 5. Juli dennoch von 1,2 auf 1,5 Euro je Anteilsschein angehoben werden.

Der Ausblick auf das gesamte laufende Geschäftsjahr (per Ende März 2024) ist verhalten: Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen soll von 2,5 Mrd. auf 1,7 bis 1,9 Mrd. Euro deutlich zurückgehen – „unter der Prämisse keiner massiven wirtschaftlichen Verwerfung, ausgelöst von der Zinspolitik der Zentralbanken, sowie der Annahme keiner weiteren Eskalationsszenarien aus dem Ukraine-Krieg oder zusätzlicher geopolitischer Spannungen“, umriss der Vorstand die äußerst unsichere Lage insgesamt.

Rückblickend betrachtet hatte der Konzern im abgelaufenen Jahr „mehrere große Herausforderungen“ zu bewältigen, wie CEO Herbert Eibensteiner unter Verweis auf die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, hohe Energiepreise, stockende Logistikketten, Erhöhung der Zinsen, hohe Inflation und Engpässe bei Facharbeiterinnen und Facharbeitern betonte.

Alleine die Energiekosten hätten sich gegenüber dem Jahr davor von 860 Mio. auf 1,5 Mrd. Euro erhöht, so Ottel. Ein weiteres Jahr zuvor (2020/21) hatten sie erst 416 Mio. Euro betragen. Doch hier ist Entspannung in Sicht: „Was wir sehen, ist dass die Energiekosten zurückgehen, das heißt, wir sind bereits am Weg zurück in Richtung Werte von 2021/22“, sagte der Finanzvorstand. Laut Eibensteiner sei es „gelungen, die Rohstoffpreise und Energiekosten am Markt umsetzen zu können“, also an die Kunden weiterzugeben.

Operativ war die Voest 2022/23 dennoch schwungvoll unterwegs: Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen stieg das Ergebnis (EBITDA) gegenüber dem Jahr davor von 2,3 auf 2,5 Mrd. Euro (plus 11,1 Prozent). Die EBITDA-Marge gab allerdings von 15,4 auf 14 Prozent nach. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) erhöhte sich von 1,5 auf 1,6 Mrd. Euro, die Marge sank hier von 9,7 auf 8,9 Prozent.

„Wir haben doch über weite Bereiche eine stabile Nachfrage nach voestalpine-Produkten gesehen – und das in einem volatilen Umfeld“, betonte Eibensteiner. Besonders gut lief es demnach im Energiebereich – der Konzern fertigt Rohre für die Öl- und Gasindustrie – sowie bei den Bahninfrastruktursystemen (Schienen, Weichen). Demgegenüber ist die europäische Automobilindustrie dem CEO zufolge „nach wie vor von Lieferkettenproblemen betroffen“. In Europa habe die hohe Inflation die Stimmung gedämpft – mit einer rückläufigen wirtschaftlichen Entwicklung im zweiten Halbjahr 2022.

Das neue Edelstahlwerk am steirischen voestalpine-Standort Kapfenberg wird merklich teurer als ursprünglich gedacht. Es komme zu einer möglichen Kostenüberschreitung von „bis zu 30 Prozent gegenüber dem ursprünglichen Investitionsplan von 350 Mio. Euro“. Um einen schnellstmöglichen Hochlauf der Produktion nach den bereits berichteten Verzögerungen sicherstellen zu können, hätten unter anderem die Eigenleistungen des Unternehmens voestalpine Böhler Edelstahl massiv erhöht werden müssen.

Vier Jahre nach dem Spatenstich seien die Bauphase im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022/23 erfolgreich abgeschlossen und der Testbetrieb in Form der Heißinbetriebnahme gegen Ende hin gestartet worden. Die Vollinbetriebnahme des „größten Investitionsvorhabens des Konzerns in den letzten Jahren“ erfolge schrittweise im laufenden Geschäftsjahr 2023/24. Im Vollbetrieb werde das Werk jährlich rund 205.000 Tonnen Spezialstähle für die internationale Luftfahrt-, Öl- und Gas- sowie Automobil- und Werkzeugbauindustrie herstellen.

Insgesamt investierte der Konzern im abgelaufenen Geschäftsjahr den Angaben zufolge 922 Mio. Euro und damit um 30 Prozent mehr als im Jahr davor (708 Mio. Euro). Der Fokus lag auf der „technischen Optimierung der bestehenden Anlagen und Ersatzinvestitionen“.

Mit der Genehmigung der Investition von 1,5 Mrd. Euro für greentec steel (“grünen” Stahl) durch den Aufsichtsrat heuer im März sei „ein wichtiger Meilenstein für die Zukunft des Konzerns“ gesetzt worden. Geplant sei, dass die Entscheidung für Anlagen und Lieferanten noch 2023 getroffen werde, der Bau 2024 starte und die Inbetriebnahme der beiden Elektrolichtbogenöfen (EAF, electric arc furnace) 2027 erfolge. Diese sollen je einen Hochofen in Linz und Donawitz ersetzen. Im Konzern könnten damit ab 2027 „bis zu 30 Prozent“ oder 4 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden – das seien „fast 5 Prozent der CO2-Emissionen Österreichs“.

Wichtige Voraussetzung dieser nächsten großen Etappe sei die Klärung noch offener Förderfragen. „Wir werden uns im Juni um die Gelder bewerben“, berichtete Eibensteiner. Bis Oktober oder November soll die Antwort kommen. Die voestalpine erhoffe sich eine Summe „im hohen zweistelligen Millionenbereich“, also unter 100 Mio. Euro, aus dem österreichischen Transformationsfonds. Auf EU-Ebene ist die Voest betreffend Förderungen abgeblitzt: „Wir haben uns bereits in der EU beworben – dort sind wir nicht zum Zug gekommen“, so der Konzernchef unter Verweis auf den EU ETS Innovation Fund (EU-Innovationsfonds).

Ab 2030 plant die voestalpine eine weitere Ablöse von je einem Hochofen in Linz und Donawitz (Steiermark). Um das Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 zu erreichen, forsche der Konzern bereits an mehreren neuen Verfahren und investiere in „Pilotprojekte, die neue Wege in der Stahlerzeugung ermöglichen werden“. Im abgelaufenen Geschäftsjahr zahlte die Voest laut Ottel 238 Mio. Euro für CO2-Zertifikate.

Parallel zu den Großinvestitionen fuhr die Voest die Verschuldung von 2,3 auf 1,7 Mrd. Euro massiv nach unten – auf den niedrigsten Wert seit 2006/07, vor der mehrere Milliarden schweren Übernahme des Edelstahlkonzerns Böhler-Uddeholm.

Das Gearing (Nettoverschuldung in Relation zum Eigenkapital) verbesserte sich 2022/23 von 32,4 auf 21,4 Prozent. Innerhalb von drei Jahren hätten sich die Schulden „mehr als halbiert“. Das Eigenkapital des Konzerns markiert mit 7,8 Mrd. Euro einen neuen Höchstwert. Die voestalpine beschäftigt weltweit 51.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (2021/22: 50.225).

Das könnte Sie auch interessieren