FH Wels forscht am Antriebsstrang der Zukunft: „Weltweit einzigartig“

Das könnte Firmen aus OÖ bald kompetitive Lösungen bringen - Interview mit Professor Gernot Grabmair

Von links.: Sebastian Gomez, Christoph Diendorfer, Jonathan Glinz, Patrick Weinberger, Sarah Heupl, Gernot Grabmair, Alexander Winkler, Maximilian Pollak und Roland Hinterhölzl forschen in Wels am Antriebsstrang für E-Autos.
Von links.: Sebastian Gomez, Christoph Diendorfer, Jonathan Glinz, Patrick Weinberger, Sarah Heupl, Gernot Grabmair, Alexander Winkler, Maximilian Pollak und Roland Hinterhölzl forschen in Wels am Antriebsstrang für E-Autos. © Plank im Bilde.at

Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 die verkehrsbedingten Emissionen in der EU um 90 Prozent zu senken. Bereits ab 2035 sollen alle neu verkauften Personen- und leichte Nutzfahrzeuge emissionsfrei sein, um hier eine „Zero-Emission-Mobilität“ zu erreichen.

Der Weg zum sogenannte Zero-Emission-Antriebsstrang wird von der Forschungs & Entwicklungs GmbH der Fachhochschule Oberösterreich in Wels mitgestaltet. Ein Beispiel ist dabei das Projekt „IMP4Zero-E“ von FH-Professor Gernot Grabmair und seinem Team. Das ist auch für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich relevant.

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Wie kam es zu der Projektidee?

GERNOT GRABMAIR: Die Europäische Union hat sich eine Reihe ehrgeiziger Ziele gesetzt, um das Tempo der globalen Erwärmung zu verlangsamen unter anderem im Bereich der Mobilität. Bei den aus aktueller Sicht für Zero-Emission-Mobilität wahrscheinlichsten Szenarien batterieelektrischer beziehungsweise hybridelektrischer Fahrzeuge (BEV bzw. HEV, Anm.) und Fahrzeugen mit Brennstoffzelle (FCEV) sind zusätzliche elektrische Leitungssysteme für die Leistungsverteilung und Behältnisse für die Energieträger notwendig.

Diese müssen neben den von Photovoltaikanlagen bekannten Alterungseffekten zudem erheblichen mechanischen Belastungen durch unter anderem Vibrationen standhalten. Berichte über enorme Instandsetzungskosten nach Schäden am Hochvoltbus beziehungsweise gar ein vorgeschriebener Batteriewechsel nach Airbagauslösung führten zur Idee der Entwicklung von geeigneten Detektions- bzw. Prüfverfahren.

Worum geht es bei dem Projekt „IMP4Zero-E“?

Das Projekt „IMP4Zero-E“ beschäftigt sich mit Innovative Monitoring und Prüfverfahren für den Zero-Emission-Antriebsstrang.

Wann kann man mit ersten aussagekräftigen Ergebnissen rechnen?

Das Projekt ist mit einem gewissen Forschungs- und Entwicklungsrisiko verbunden. Wir sind allerdings guter Dinge, dass bereits nach zwei bis drei Jahren erste aussagekräftige Messergebnisse vorliegen und wir mit der Suche nach Partnern für die konkrete Umsetzung beginnen können.

Was bedeutet Isolationszustandsbewertung konkret?

Hierbei sollen Schädigungen an der Isolation von stromführenden Teilen bereits vor Durchschlägen (Lichtbögen) erkannt werde. Also, bevor es brandgefährlich wird, und damit beispielsweise nach Unfällen Entscheidungshilfen gegeben werden, ob der aktuell relativ teure Tausch eines Hochvoltstranges im E-Auto notwendig ist.

Wann ist es realistisch, dass Ergebnisse Ihrer Forschung in der Praxis in konkreten Produkten oder Verfahren zur Anwendung kommen?

Integration zusätzlicher Sensorik in Fahrzeuge wird natürlich erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Falls wir allerdings mit bereits im KFZ vorhandener Sensorik das Auslangen finden und in dem Bereich der Algorithmenentwicklung erfolgreich sind, lassen sich diese zumindest prototypisch nach drei bis fünf Jahren direkt in automotive Steuergeräte oder Ladesäulen implementieren. Die tatsächliche Serienüberführung wird aber aufgrund der enormen Anforderungen aus dem automotiven Entwicklungsprozess auch dann etwas dauern.

Wo und wie wird andernorts auf der Welt in ähnlichen Bereichen wie bei Ihnen geforscht?

Es gibt aktuelle ähnliche Bestrebungen aus den USA für vollelektrifizierte Fahrzeuge und Schiffe im Rüstungsbereich, wobei allerdings die Kosten eine untergeordnete Rolle spielen. Aus der Zeit der ersten Diskussionen über eine Anhebung der Kfz-Bordspannung existieren Untersuchungen aus den skandinavischen Ländern, welche aber nicht in Serie umgesetzt wurden. Für die europäischen Automobilhersteller ist es momentan aufgrund des geringen Ausmaßes und Durchschnittsalters der BEV- beziehungsweise HEV-Flotte kein vorrangiges Problem und wird in Form von Risikoabschätzungen passiv behandelt. Wir gehen davon aus, dass in den Forschungsabteilungen an aktiven Lösungen gearbeitet wird.

Und nachgefragt: Wo steht die FH Oberösterreich im internationalen Vergleich?

Die Kombination der beteiligten Fachgebiete von der Hochspannungstechnik, über Integrierbarkeit in Leichtbauteile bis hin zur Messtechnik und modellbasierten Detektion zur Problemlösung ist nach unserem Informationsstand einzigartig. Insofern sind wir guter Dinge für die oberösterreichischen im Mobilitätsbereich tätigen Unternehmen kompetitive Lösungen zu schaffen.

Interview: Oliver Koch

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