Unwetter: Wirtschaftliche Schäden vorerst nicht abschätzbar

Genauere Schadensabschätzung erst in den nächsten Tagen erwartet © APA/FF GÖLLERSDORF

Die aktuellen Hochwasser- und Sturmschäden für Privatpersonen, Unternehmen und die Landwirtschaft sind vorerst noch nicht genau abschätzbar. Das geht aus einem APA-Rundruf bei Versicherungen, Branchenvertretern und Wirtschaftsforschern hervor. „Die Schäden werden erst in einigen Tagen und nach Abfließen des Wassers zu bewerten sein“, sagte Landwirtschaftskammer-Österreich-Chef Josef Moosbrugger. IHS und Wifo rechnen mit geringen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft.

Es werde darauf ankommen, wie lange die Kulturen unter Wasser standen und wann die Flächen wieder befahrbar seien, so der Landwirtschaftskammer-Präsident. Besonders betroffen seien Kulturen wie Ölkürbisse, Sojabohnen, Mais und das Grünland, hieß es von der Hagelversicherung. Außerdem habe es Schäden bei Maiskulturen durch starke Stürme gegeben, vor allem in der Steiermark.

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Im Zuge der schweren Hochwasser und Stürme der vergangenen Tage kommen auf Versicherer hohe Schäden zu. „Wir wissen, dass es groß ist. Wir wissen, dass es um einige Tausend Schadensfälle gehen wird und wir wissen, dass die Schäden im zweistelligen Millionenbereich sein werden“, sagte Generali-Chef Gregor Pilgram. Wie hoch die Zahl genau ausfallen wird, werde sich aber erst in den kommenden Tagen und Wochen herausstellen.

Das Hochwasser der letzten Tage sei heuer bisher das mit Abstand größte Naturkatastrophen-Ereignis gewesen. Man sehe aber allgemein einen Trend, dass die Naturkatastrophenschäden zunehmen – aus mehreren Gründen: Mehr Schadensfälle, mehr Versicherte in dem Segment und auch die Inflation, die die Schadenssummen in die Höhe treibt.

Auch die Grazer Wechselseitige Versicherung (Grawe) rechnet mit einem vielfachen Millionenbetrag bei den Schäden, traut sich jedoch derzeit noch keine konkretere Schätzung zu. In Niederösterreich gebe es aber vor allem Hochwasserschäden, während es in der Steiermark vor allem um Sturmschäden gehe. Wiener Städtische und Wüstenrot konnten auf APA-Anfrage ebenfalls noch keine genauen Zahlen zum Schadensausmaß abgeben. Die UNIQA sieht sich derzeit ebenfalls nicht im Stande, eine seriöse Schätzung der Schäden abzugeben. Im Vorjahr verzeichnete die UNIQA ohne ein Extremereignis wie jenes der letzten Tage wetterbedingte Schäden von 152 Mio. Euro. Insgesamt verzeichne die Branche einen beträchtlichen Anstieg der wetterbedingten Schäden, teilte Klaus Kraigher von der UNIQA mit. Lagen diese Anfang der 2000-er Jahre noch zwischen 300 bis 400 Mio. Euro, so betragen sie mittlerweile rund eine Milliarde, sagte Kraigher. Auch der Versicherungsverband (VVO) gab keine Schätzung zur möglichen Schadenshöhe ab.

Die Hochwasserschäden werden laut Wifo-Chef Gabriel Felbermayr nicht im Bruttoinlandsprodukt (BIP) abgebildet, weil es sich um ein Produktionsmaß handelt. Der Wiederaufbau werde aber das regionale Wirtschaftswachstum in Niederösterreich wohl um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte erhöhen, sagte Felbermayr zur APA. Naturkatastrophen seien langfristig schlecht für die Wirtschaft der betroffenen Regionen. „Es ist eine statistische Illusion, dass Desaster gut sind.“

Die aktuellen Unwetter- und Hochwasserschäden seien lokal „riesig“, aber der Effekt auf die Gesamtwirtschaft Österreichs sei „vernachlässigbar“, sagte IHS-Direktor Holger Bonin. Die Schäden beim Jahrhunderthochwasser 2002 beliefen sich laut Schätzungen österreichweit auf 3 Mrd. Euro. Durch Naturkatastrophen werde der „Kapitalstock reduziert“, erklärte Bonin. Durch öffentliche Aufbauhilfen könnten auch andere staatliche Investitionen verschoben werden. Der IHS-Chef erwartet einen „merkbaren Effekt“ der Unwetter-Hilfen auf das Budgetdefizit, „je nachdem wie die Politik reagiert“.

Auch die Wertschöpfung der zehntausenden Ersthelfer – etwa bei den Feuerwehren – wird laut dem Wifo-Chef nicht für das BIP erfasst. Die Personen würden in der Fabrik oder im Büro fehlen, hätten aber eine „viel höhere Nützlichkeit“. Die Aufräumarbeiten, Sanierungen und Investitionen würden aber zu einem kleinen Nachfrageprogramm für die Bauwirtschaft und das Gewerbe in den betroffenen Regionen führen, so Felbermayr.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS) arbeiten derzeit an der Aktualisierung ihrer Konjunkturprognose für 2024 und 2025, die am 4. Oktober vorgestellt wird. Das Wifo wird die Auswirkungen des Hochwassers und der Überschwemmungen in der Prognose berücksichtigen. Der Wifo-Chef erwartet aber keine großen Auswirkungen der lokal begrenzten Überschwemmungen auf die gesamtösterreichische Wirtschaftsleistung. Die öffentliche Hand werde wohl „spendabel“ sein und möglicherweise den Katastrophenfonds aufstocken, erwartet Felbermayr. „Kurz vor der Wahl wird die öffentliche Hand nicht besonders knausrig sein.“ Im Juni hatte das Wifo ein Budgetdefizit von 3,2 Prozent im Jahr 2024 und 3,1 Prozent im Jahr 2025 prognostiziert. Durch die schwächere Konjunkturentwicklung im laufenden Jahr und das Hochwasser wird das Finanzierungssaldo des österreichischen Staates heuer und im kommenden Jahr höher ausfallen als bisher angenommen.

Wegen des Hochwassers haben die Donau-Kraftwerke ihre Wehrfelder teilweise geöffnet und die Stromerzeugung gedrosselt. An den Kraftwerken Ybbs-Persenbeug und Melk wurden in der Nacht auf Samstag auch die Schiffsschleusen zur Wasserabfuhr eingesetzt, beide Kraftwerke haben derzeit die Stromerzeugung eingestellt, erklärte der Verbund auf Anfrage. Durch die Sperre der Donau für die Schifffahrt ab Ennshafen-Wallsee an der Grenze von Ober- und Niederösterreich sind laut Verkehrsministerium am Montag 56 Kreuzschiffe und 20 Güterschiffe stillgelegen. Passagiere hatte allerdings lediglich ein Flusskreuzfahrtschiff von Thurgau Travel an Bord, die vorläufig in Wien festsaßen. Mit einer Entspannung wurde laut Verkehrsministerium am Dienstag gerechnet.

Arbeitslose, die es aufgrund der Unwetter und etwaiger Verkehrssperren nicht zu ihren Kontrollmeldeterminen schaffen, haben indes bis inklusive Mittwoch keine Sanktionen zu befürchten. Außerdem wird die Frist zur Einlösung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe für diese Tage verlängert, wie das Arbeitsmarktservice (AMS) in einer Aussendung mitteilte.

Für Hochwasser- und Unwettergeschädigte bieten die Baumärkte Bauhaus, Hornbach und Obi einen Rabatt in Höhe von 20 Prozent auf das gesamte Sortiment an. Vorgelegt werden muss eine Schadensbestätigung der Versicherung oder eine Bestätigung der Gemeinde/Feuerwehr. Die Heimwerkermärkte behalten sich vor, den Schadensnachweis zu prüfen.