WKOÖ-Präsidentin Hummer: „Firmen droht ein Lockdown durch die Hintertüre“

WKOÖ-Präsidentin Hummer für kürzere Quarantänedauer – Klare Ablehnung von neuen Grenzkontrollen wegen Pandemie

Die oö. Wirtschaftskammer-Präsidentin Doris Hummer betont, dass es keinen zweiten Lockdown wie im Frühling geben darf und fordert eine Verkürzung der Quarantäne auf fünf Tage.
Die oö. Wirtschaftskammer-Präsidentin Doris Hummer betont, dass es keinen zweiten Lockdown wie im Frühling geben darf und fordert eine Verkürzung der Quarantäne auf fünf Tage. © WKOÖ

WKOÖ-Präsidentin kritisiert, dass die Corona-Quarantäne zu lange dauert.

Fünf Tage Isolation seien ausreichend, so Hummer. Die Krise hält sie für bewältigbar.

VOLKSBLATT: Nach einem Sommer, durch den man angesichts der Umstände eigentlich positiv gekommen ist, macht sich nun wieder Unsicherheit breit. Wie beurteilen Sie die aktuelle Stimmung in der Wirtschaft?

DORIS HUMMER: Nach der kurzen Erholung im Sommer ist jetzt die Stimmung wieder höchst angespannt. Vor allem natürlich in jenen Branchen, die jetzt wieder vom Lockdown betroffen sind und ohnehin schon mit dem Rücken zur Wand stehen. Wichtig ist mir auch zu betonen, dass unsere Unternehmen nachweislich nicht die Corona-Hotspots im Land sind. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.

Gibt es Maßnahmen, die Sie bei der Bekämpfung der Pandemie möglichst nicht sehen wollen?

Mit dem aktuellen Lockdown light konnten wir sicherstellen, dass nahezu alle Wirtschaftsbereiche bis auf Tourismus und Gastronomie weiterlaufen können. Für die betroffenen Branchen war es uns wichtig, dass wir schnelle und entsprechend großzügige Hilfe bereitstellen. Es darf keinen zweiten, kompletten Lockdown geben, wie wir ihn im Frühjahr hatten. Und das ist auch gar nicht nötig, denn die Firmen sind bei der Corona-Prävention geradezu vorbildlich unterwegs. Auch Grenzschließungen sind klar abzulehnen. Offene Lieferwege sind für die Wirtschaft ein „must have“, um die ohnehin schon schwierige Zeit bewältigen zu können.

Muss der private Bereich stärker kontrolliert werden, um die Pandemie in den Griff zu bekommen?

Hier besteht offensichtlich Handlungsbedarf, denn die Zahlen zeigen: rund 80 Prozent aller Covid-Cluster sind in diesem Bereich zu finden. Mit den neuen Regeln könnten wir diese Infektionscluster aber in den Griff bekommen – wenn sich die Menschen an die Maßnahmen halten.

Sollte man ohne größeren Lockdown auskommen, wie kann man Unternehmen am besten helfen durch den Winter zu kommen?

Die WKOÖ unternimmt seit Monaten quer durch alle Branchen alles, um die Unternehmen bei einem erfolgreichen Re-Start zu unterstützen. Weitere Instrumente, die den Unternehmen sofort helfen, wären jetzt dringend notwendig.

Welche Maßnahmen schweben Ihnen da vor?

Dazu gehören etwa der Handwerkerbonus, die Ausweitung der Investitions- und Innovationsprämie oder auch die Senkung von Lohnnebenkosten. Aber auch eine effektivere und stringentere Vermittlung von Arbeitskräften. Darüber hinaus brauchen wir eine Stärkung der finanziellen Resilienz durch eine einfachere Eigenkapitalbildung und eine vorgezogene KöSt-Senkung. Und natürlich braucht es auch innovations- und exportfördernde Maßnahmen, die unsere Betriebe wieder auf die Überholspur bringen.

Sollte der Lehrlingsbonus verlängert werden?

Ja! Unsere Betriebe suchen ohnehin händeringend nach Lehrlingen und müssen in der Krise dabei unterstützt werden.

Hätten Sie sich vor der Krise gedacht, dass Home-Office so gut funktionieren kann?

Richtig, Home-Office hat besser funktioniert, als viele erwartet haben. Aber man darf nicht vergessen: In den meisten Branchen ist Home-Office gar nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Handwerk, Gewerbe, Gastronomie und Tourismus, Transport und Verkehr, Industrie und so weiter: Ohne die Mitarbeiter vor Ort können diese Betriebe gar nicht existieren.

Braucht es aber neue rechtliche Rahmenbedingungen für jene Betriebe, bei denen Home-Office möglich ist?

Gesetzliche Regelungen zum Home-Office halte ich für unnötig, diese Form der Arbeit kann nur auf Firmenebene punktgenau geregelt werden.

Immer mehr Mitarbeiter müssen ohne krank zu sein als Kontaktperson in Quarantäne, braucht es hier neue Regelungen?

Wir brauchen dringend neue Quarantäne-Regelungen, denn aktuell droht unseren Firmen ein Lockdown durch die Hintertüre, weil ständig Mitarbeiter unnötig oder unnötig lange isoliert werden. Antigen-Schnelltests sind ein wirksames Mittel, diesen Dauer-Alarmzustand in vielen Unternehmen einzudämmen. Die WKOÖ hat daher gehandelt und hat in Linz die erste Schnellteststation in Oberösterreich errichtet. Grundsätzlich sind wir auch überzeugt, dass eine Quarantänedauer von fünf Tagen genug ist.

Mitten in der Krise fanden mit der Arbeiter- und der Wirtschaftskammer auch zwei Parteien wieder zueinander, von denen man es nicht unbedingt erwarten konnte. Brauchte es eine Krise für den Neu-Anfang?

Es war nicht die Krise, die uns wieder zusammengeführt hat, sondern das hartnäckige Bemühen gemeinsam für unsere jeweiligen Mitglieder Lösungen zu entwickeln. Eine funktionierende Sozialpartnerschaft braucht konstruktive Gespräche, um zu fairen Lösungen zu kommen. Die neue Clearingstelle für Rechtsfragen und Problemfälle in Oberösterreich ist ein solches Projekt. Mir war es wichtig, dass wir ein neues Kapitel aufschlagen. Klassenkampf und Polemisierung sollen der Vergangenheit angehören.

Bei den KV-Verhandlungen hat es teils historisch schnelle Einigungen gegeben, erlebt die Sozialpartnerschaft eine Renaissance?

In Krisensituationen besinnt man sich oft auf das Wesentliche und sucht das Gemeinsame. Die Sozialpartnerschaft hat die gemeinsame Sichtweise, dass unser Land ohne den Wirtschaftsmotor einen Totalschaden erleidet. Die schnellen KV-Verhandlungen waren dafür sicher beispielhaft.

Insgesamt überlagert Corona alles, drohen wichtige Entwicklungen dadurch vernachlässigt zu werden?

Jede Krise ist auch eine Chance, Fehlentwicklungen zu stoppen und konsequent neue Wege einzuschlagen! Am deutlichsten hat sie aber tatsächlich die große Bedeutung der Digitalisierung klar gemacht. Die WKOÖ trommelt dieses Thema schon seit Jahren und bietet den Firmen umfangreiche Hilfs- und Servicepakete. Jetzt ist der Ansturm auf diese Projekte so enorm wie noch nie und das ist gut so!

Trauen Sie sich einen Ausblick zu, wo die Wirtschaft und das Land allgemein am Ende des Winters stehen wird?

Unsere Wirtschaft wird zum Großteil auch nach dem Winter gut dastehen, weil unsere Betriebe mit ihren Mitarbeitern die Kraft, den Ehrgeiz und den Innovationsgeist haben, auch solche schweren Krisen zu bewältigen. Aber jenen Branchen, die gar keine Chance haben, sich selbst zu retten, muss vom Staat konsequent geholfen werden. Dafür kämpfe ich seit Monaten und ich werde damit nicht aufhören.

Die Fragen an WKOÖ-Präsidentin DORIS HUMMER stellte Christoph Steiner

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