Wohltuendes Wohnen – Nachhaltiges Bauen mit viel Natur

Höher! Das Wettrennen um den höchsten Turm der Welt hat aktuell der Burj Khalifa mit 830 Metern in Dubai für sich entschieden. Wieviel Beton in diesem Monster-Bauwerk steckt, ist kaum vorstellbar. Beton ist weltweit der meistgenutzte Baustoff – noch. Denn ein wesentlicher Bestandteil ist bereits jetzt Mangelware: Sand. Gibt es Alternativen zum Beton? Die gibt es, weiß Sigfried Atteneder, Leiter der Abteilung Architektur der Kunstuniversität Linz. Und: Warum nachhaltiger Bau der wahre Luxus ist.

„Der Sand, den wir zur Betonherstellung brauchen, der geht uns definitiv aus“. Es gäbe bereits Forschungen, um – etwa in einer Mischung mit jetzt schon nutzbarem Sand – auch Wüstensand verwenden zu können. Nachhaltiger wäre es jedoch, auf einfach verfügbare und natürliche Baustoffe zuzugreifen. Etwa auf Lehm – ein Stoff, der seit Jahrtausenden zum Bauen verwendet wird.

„Lehm ist ein super Baustoff, den gibt es fast überall auf der Welt. Man muss nur den Humus weggeben und schon hat man das Baumaterial unter den Füßen“, erklärt Atteneder.

Und Lehm kann wiederverwendet werden. Ganz im Gegenteil zum knappen Sand. „Die Recyclingtechniken werden immer besser, aber das Problem ist, dass da chemische Reaktionen involviert sind. Wenn Beton mal Beton ist, kann man die Bestandteile nie mehr auseinander bringen.“

Siegfried Atteneder unterrichtet in Linz Studierende, die sich mit einer nachhaltigen Art zu bauen und zu planen auseinandersetzen wollen. Der Gegenentwurf zum Stahl-Beton-Glas-Hochglanz. „Das ist überhaupt nicht das, wofür wir stehen und das, was die Studierenden bei uns lernen. Wenn man sich unsere Projekte anschaut, sieht man, dass das genau das Gegenteil ist“, betont Atteneder.

„Nicht alle können Einfamilienhäuser bauen“

Natürlich solle das, was gebaut wird, ästhetisch anspruchsvoll sein. „Aber der Kontext muss stimmen. Mobilität muss mitgedacht werden. Wie komme ich da hin? Die Materialität muss stimmen. Wind und Sonne müssen mitgedacht werden. Das spielt eine ebenso große Rollen, wie, dass es ein schönes Gebäude ist.“ Von Bedeutung sei auch eine gewisse Robustheit der Gebäude und, dass sie „viel können“. „Gründerzeithäuser haben vom Grundriss her Strukturen, da kann eine Wohnung drin sein, eine Arztpraxis, ein Büro – das ist alles möglich. Da sollten wir hinkommen vor dem Hintergrund, dass, wenn sich der Bedarf ändert, man das nutzen kann.“ Man müsse mehr mit dem Bestand arbeiten, den umnutzen, so Atteneder. „Es wird im Bereich Wohnen definitiv Umbrüche geben!“
„Dass alle ihr Einfamilienhaus auf der grünen Wiese bauen werden können, das sehe ich überhaupt nicht. Das wird sicher anders werden. Zu mir kommen Bürgermeister, die sagen, sie wissen nicht, was sie tun sollen. Jeder wolle ein Einfamilienhaus. Es gibt auch Reihenhäuser, es gibt verdichtete Baumethoden, die genau gleiche Lebensqualität bieten, aber die viel weniger Bodenverbrauch haben. Auch in der Stadt müssen wir uns überlegen, wie wir weitermachen. Unsere Architektur hat viel mehr ökologische und soziale Komponenten.“ Man frage sich, wie wir künftig zusammenleben wollen, wie mit Vereinsamung, Singlehaushalten umgehen. „Das sind Entwicklungen, die sind für die Gesellschaft nicht gut. Die führen zu Spaltung. Diese ,softeren’ Themen sind für unsere Gestaltung viel wichtiger als die pure Ästhetik.“

Wenn die Welt immer unruhiger und unbeständiger wird, nimmt die Bedeutung der eigenen vier Wände zu. Umso wichtiger ist es, sich darin wohlzufühlen. Genau diesen oft und in absurden Zusammenhängen zitierten „Wohlfühlfaktor“ bieten Bauweisen, die auf natürliche Stoffe setzen, nachhaltig sind und damit unsere sensible Umwelt behüten. Aber ist mit nachhaltigem Bauen heute auch schon alles umsetzbar?

„Bauen können wir mit alternativen Baustoffen eigentlich schon recht viel, also mit jetzt noch alternativen Baustoffen. Holz ist gerade total angesagt, da sind wir schon relativ weit. Vor 20, 30 Jahren war Holz etwas für die ,Birkenstock-Partie’. Das war nicht mehrheitsfähig. Mittlerweile ist das gang und gäbe, geprüft und funktioniert, und es wird auch angewendet.“ Bei Lehm, Erde und Stoffen wie Stroh, Hanf etc. gebe es in der Verwendung noch viel Luft nach oben.

„Lehm ist weich, reguliert die Luftfeuchtigkeit“

„Wenn nachhaltig gebaut wird, heißt das nicht, dass hässlich gebaut wird. Im Gegenteil! Ich behaupte, dass uns das gut tut, weil das angenehme Materialien sind“, streicht Atteneder noch mehr Vorteile nebst der Nachhaltigkeit dieser Baustoffe hervor. „Der Lehm hat unglaubliche Qualitäten. Wenn man in einem Lehmhaus steht, oder es nur eine lehmverputzte Wand ist – man spürt das. Das ist angenehmer. Es ist weich, es ist warm, es reguliert die Luftfeuchtigkeit.“

Noch verhindere, so Attenender, mangelnde Akzeptanz die breite Anwendung nachhaltiger Baustoffe. „Andere Bereiche sind schnelllebiger, da funktionieren Änderungen und Innovationen schneller. Das Bauwesen ist ein etwas träges Vehikel.“ Aber obwohl es schleppend gehe, sei sehr viel in Bewegung zur Zeit. „Wir spüren ja die Klimakrise am eigenen Leib und sehen, dass wir mehr tun müssen.“

Ein Problem sei — noch — die Preisfrage. „Mittlerweile wird ja kaum noch etwas gemauert, es wird alles betoniert, weil es einfach das billigste ist. Wenn man sich die Rohbauphase richtiger Luxuswohnungen ansieht, ist das einfach stinknormaler Beton, worin ich persönlich niemals wohnen wollen würde. Die Preise sind bei 6000, 7000 Euro pro Quadratmeter. Es ist eine Verrohung der Architektur und des Bauwesens sichtbar.“

Bauernhöfe aus Lehm, die 400 Jahre alt sind

Warum sind Lehm, Holz & Co. so teuer? „Weil die Arbeitskraft so teuer ist, Planung und Herstellung sind aufwendiger. Aber Photovoltaikanlagen sind in den vergangenen Jahren auch viel günstiger geworden. Das wird hier die selbe Entwicklung nehmen.“

In Sachen Haltbarkeit können nachhaltig errichtete Gebäude mit konventionellen mithalten. „In Niederösterreich etwa gibt es Bauernhöfe, die aus Lehm errichtet worden und 300 bis 400 Jahre alt sind. Problematisch wird es nur, wenn mit unseren Baustoffen, Zement und Beton, saniert wird. Dann ist es kaputt. Dann kann es nicht mehr atmen und dann stimmt die Homogenität der Baustoffe nicht mehr.“ Gleichwertig funktionieren die Häuser auch in Sachen Energiesparen, hier können die technischen Standards erfüllt werden. Mehr noch: das funktioniert ganz ohne umweltschädliche Dämmschichten, wie etwa Styropor.

Um nachhaltige Häuser zu errichten, muss man im Prinzip nur auf alte Techniken zurückgreifen. „Wir verwenden genauso Bohrmaschinen und Schrauber, weil es die Arbeit einfach massiv erleichtert. An der Grundsubstanz, wie das gemacht wurde, wie etwa eine Mauer errichtet wird, ändert sich nichts. Wir transferieren das in die Jetztzeit und arbeiten nicht wie im Mittelalter.“

Gebaut kann inzwischen alles werden, auch im großen Stil. In manchen Bereichen, etwa beim Fundament, werde auch künftig Beton verwendet werden, so Atteneder, wobei es auch Häuser komplett aus Lehmbau gibt, etwa das Wohnhaus von „Lehm-Papst“ Martin Rauch in Vorarlberg.

An der Linzer Kunstuniversität hat man früh die Bedeutung von Nachhaltigkeit erkannt. Im Bereich der Architektur wurde etwa aus dem Projekt BASEhabitat, das sich seit fast zwei Jahrzehnten sozial verantwortlicher und nachhaltiger Architektur widmet, ein Masterstudium. Auf Anfrage – etwa von Non Profite Organisationen – planen die Studierenden nachhaltige Objekte und setzen diese auch um. Dabei werden Gebäude auf der ganzen Welt, aber auch in Österreich gebaut, wie etwa ein Pavillon im Botanischen Garten in Linz. „Wir freuen uns über Studierende!“, betont Atteneder. Heute (3. September) ist noch eine Online-Anmeldung möglich, die Zulassungsprüfungen finden am 12. und 13. September statt. Auch für interessierte und künftige Baudamen und -herren steht die Kunstuni jederzeit offen.

Und was wünscht sich Siegfried Atteneder noch, außer inspirierte Studierende? „Wir reden so viel über Regionalität. Bei der Ernährung ist allen bewusst: Wenn man Produkte isst, die der Bauern nebenan macht, dann ist das grundsätzlich gut. Beim Bauen wäre es genau das gleiche. Es ginge genauso.“

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