Zadie Smith: Grand Union

Die Geschichtenerzählerin kann in den Kopf anderer Menschen eindringen. Spannend, aber eigentlich streng verboten.

Die Gabe der Protagonistin ihrer Short Story „Der Wurm“ scheint Zadie Smith in ihrem Kurzgeschichten-Band „Grand Union“ selbst in höchstem Maß kultiviert zu haben. Es sind 19 sehr heterogene Geschichten, und auf die Erzählerin Esorik „aus der Zeit des Usurpators“ folgt als nächster Protagonist nahtlos ein schwuler Artist-in-residence im Paris der Gegenwart.

Smiths erster Erzählband kann als einziges großes Bekenntnis zur Diversität gelesen werden, zu einer Vielzahl an möglichen Schicksalen, Lebensformen, sozialen, ethnischen und kulturellen Hintergründen. „Grand Union“ eröffnet ein breites Panorama in einem erzählerischen Kosmos, der nicht nur alle Erdteile sowie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfasst, sondern auch die Kraft der Imagination beschwört.

Nicht immer möchte man alle erzählerischen Volten und Behauptungen widerstandslos mitmachen. Manche plötzlich eingefügte Frage à la „Wie fühlt es sich wohl an, eine Fledermaus zu sein?“ (in „Blockade“) mag mitunter wenig relevant scheinen, und manche Texte bleiben einem bis zu ihrem Ende fremd, doch immer wieder führt Zadie Smith auch auf vertrautes Gelände, zu hedonistischen, polyamourösen jungen Menschen, ins Akademikermilieu, zu den mannigfaltigen Leiden von Eltern, denen ihre Kinder trotz aller Bemühungen immer fremder werden. Alles ist möglich, sagt dieses Buch — im Leben und in der Literatur.

Zadie Smith: Grand Union. Kiepenheuer & Witsch, 272 Seiten, 22,60 Euro

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