Zur rechten Zeit am rechten Ort

Anstrengend und lehrreich: Luigi Nonos „Intolleranza“ in Salzburg

Die Riesenbühne in der Felsenreitschule wurde mit Massenszenen befüllt.
Die Riesenbühne in der Felsenreitschule wurde mit Massenszenen befüllt. © APA/Gindl

Die Werkpflege des italienischen Komponisten Luigi Nono (1924-1990) bei den Salzburger Festspielen hat seit langem Tradition. Schon Karajan hatte ein Faible für seine visionäre Sprache und entdeckte Nono für das Festival, Maurizio Pollini spielte seine Musik schon 1981 im Festspielhaus. In der Folge gab es richtige Nono-Jahre, bis sein „Prometeo“ 1993 Ingo Metzmacher mit preisgekröntem Erfolg zur Aufführung brachte. Nono ist seither quasi „Dauergast“ im Festspielprogramm.

Eine Mahnung, großartig gedeutet

Es brauchte aber kaum diese Nachweise, denn heuer kam Nonos Frühwerk „Intolleranza“ aus 1960, ein Jahr später uraufgeführt in seiner Heimat Venedig, wo es Skandale auslöste, genau zur richtigen Zeit an den richtigen Ort, die Felsenreitschule. Am Donnerstag bebten dort die Felswände vor euphorischem Beifall. Nonos Werk allein, eine Mahnung an die Verletzung von Menschenwürde, die grausame Folterung von Unschuldigen und Gerechtigkeit, bewirkte diese Reaktion nicht. Es fanden sich für die adäquate Deutung auch kompetente Interpreten. Am Pult Ingo Metzmacher, glühender Stabführer für Nono mit Herzblut und Geistesstärke.

Die Handlung des 90 Minuten dauernden Stückes in zwei Teilen, deren Texte berühmten Dichterworten entnommen sind, ist rasch erzählt, das Nachdenken über die Frage der Toleranz und Intoleranz von nachhaltiger Wirkung. Ein Emigrant (Sean Panikkar) gelangt auf der Suche nach einer besseren Welt in seine Heimat, wo gegen Gewalt rebelliert wird, muss aber am Schluss erkennen, dass die Freiheit mit dem Leben bezahlt werden muss. Assoziationen greifen im Gedanken an die gegenwärtige politische Situation – Afghanistan und Taliban —, Nonos politisches Engagement war ohnehin nichts Neues.

Massenauftritte und bewährte Akteure

Regisseur Jan Lauwers füllt die Riesenbühne für die elf Szenen mit Massenauftritten von Chor (Wiener Staatsopernchor), Tänzern von Bodhi Project und Sead und Performern von Needcompany. Der exzellente Protagonist Sean Panikkar trifft auf die überlegenen Sängerschauspieler Sarah Maria Sun (La sua compagna) und Anna Maria Chiuri (Una donna) neben Antonio Yang (Algerier) und Musa Ngqungwana (Un torturato) in bewährten Episodenrollen. Und Victor Alfung Lauwers, eine vom Regisseur hinzugefügte Figur, steht als ultimativer Zeuge auf einem Podest, zunächst nur stumm und zitternd, bis Sprache und Bewegung zum Mitspielen auffordern.

Seine Botschaft von Wahrheit erntet ein riesiges Lachmanöver. Fast unvorstellbar, zu welchen brutalen, aber dann auch wieder zarten Gefühlen bei den Darstellern das Botschaftsdrama führt, die physisch, psychisch und mit extremen Ansprüchen für ihre Partien gefordert sind. Das Orchester besteht aus zwölf Schlagzeugern, Trommeln, Becken, die markante Geräusche produzieren, die Streichergruppe setzte sich trotzdem mit großer emotionaler Dichte durch.

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Die Wiener Philharmoniker fanden durch ihre Fähigkeit des Hinhörens aufeinander zu einem idealen Klangkosmos gleichberechtigter Stimmen. Ganz wichtig gerade für Nonos Partitur, die beweisen konnte, dass die Felsenreitschule den passenden Rahmen für die Aufführung bildete. Salzburg möge an der Hochburg für Nono weiterbauen.

Von Georgina Szeless

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