Haberlander in Pandemie zuversichtlich, aber vorsichtig

LH-Stv. Christine Haberlander über Corona-Pandemie, Bildung, Frauenrechte und die neue Arbeitswelt

LH-Stv. Christine Haberlander
LH-Stv. Christine Haberlander © Land OÖ/Stinglmayr

VOLKSBLATT: Das Coronavirus beherrscht seit März 2020 das Tagesgeschehen auch in Oberösterreich. Wie zufrieden sind Sie als Gesundheitsreferentin rückblickend mit der Krisenbewältigung?

LH-STV. HABERLANDER: Wir haben sechzehn schwere Monate hinter uns und in dieser Zeit mussten wir ganz oft die Geduld unserer Landsleute strapazieren. Für viele war diese Zeit sehr belastend, natürlich auch für mich. Es waren Monate, gerade wenn ich an die Zeit rund um den zweiten Lockdown denke, die mit schweren Entscheidungen verbunden waren, durchwegs auch mit Sorgen rund um die Uhr.

Deshalb empfinde ich weniger Euphorie über die Phase, die wir erreicht haben. Vielmehr ist es Demut und Respekt vor den Leistungen, der Disziplin und Eigenverantwortung der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher in den verschiedensten Bereichen unserer Gesellschaft. In Summe ist unser Land sehr gut durch die Gesundheitskrise gekommen, besser als andere.

Ist es okay, dass bereits großteils Entwarnung gegeben wird und wieder die frühere Lockerheit ins Land einzieht? Bei welchen Punkten raten Sie noch zu Zurückhaltung?

Nun, ich denke, dass wir durchaus zuversichtlich sein können, jedoch trotz alledem vorsichtig bleiben müssen. Optimismus, Zuversicht und Freude sollten sich mit Disziplin, Eigenverantwortung und Hausverstand die Waage halten. Wir sehen, dass die Infektionszahlen weiter sinken und dass wir insbesondere eine Entlastung in den Krankenhäusern spüren.

Gleichzeitig schauen wir natürlich – und das ist auch meine Rolle als Gesundheitslandesrätin –, dass wir nach wie vor ganz genau darauf achten, wie entwickeln sich die Zahlen und wie entwickeln sich die Mutationen. Deshalb fahren wir auch die Krisenstäbe nicht herunter, sie bleiben weiter bestehen und sind, gemeinsam mit unseren anderen Systemen, in Alarmbereitschaft.

Wie gehen Sie persönlich mit den Lockerungen um bzw. wann werden wieder Hände geschüttelt?

Das Händeschütteln ist wirklich ein schwieriges Thema, gerade im Beruf einer Politikerin oder eines Politikers. Ganz viele Menschen kommen auf mich mit ausgestreckter Hand zu, und in meiner Funktion als Gesundheitslandesrätin muss ich die Hand verweigern. Das tut mir im Herzen weh, weil ich das Gefühl habe, es wird als Unhöflichkeit bewertet. Aber eigentlich ist es eine Vorsichts- und Sicherheitsmaßnahme.

Sind Sie selbst schon geimpft?

Ja und es war, ganz offen gesprochen, ein Tag der Freude für mich. Wir hatten Anfang Juni eine eigene Impfaktion, bei der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landesdienst und alle Abgeordneten geimpft werden konnten und im Zuge dessen bin ich mit ganz vielen anderen – ich glaube, es waren rund 1000 Personen – ebenfalls das erste Mal geimpft worden.

Hatten Sie jemals die Befürchtung, dass unser Gesundheitssystem nicht standhalten könnte und die Intensivbetten nicht reichen würden?

Oberösterreich hat ein starkes und stabiles Gesundheitssystem, um das uns viele beneiden – sowohl in der Versorgung, als auch in der Vorsorge. Dass das System nicht standhält, diese Sorge hatte ich nie. Aber, dass es über alle Maßen überfordert wird, diese Sorge hatte ich schon. Wir hatten 152 Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt, das war der Höchstwert. Und das waren wirklich schlimme Tage, weil da gab’s von Expertinnen- und Expertenseite dann schon Überlegungen, wie schaut ein Triagieren aus, wie schauen Entscheidungen aus, die eventuell getroffen werden müssen. Gott sei Dank ist uns das erspart blieben!

Wie sehr hat die Bildung unter Corona gelitten und lässt sich das aufholen?

Die jungen Menschen, die Schülerinnen und Schüler wie auch unsere Pädagoginnen und Pädagoge haben Großartiges geleistet. Vielleicht ist es nicht gelungen, in allen Details den vorgeschriebenen Lehrplan zu erfüllen – und da hat der Minister ja zugelassen, dass man maßvoll benotet –, aber was die Kinder und Jugendlichen im Rahmen von Selbstorganisation und Verantwortung gelernt haben, ist enorm. Gerade, wenn ich an die Maturantinnen und Maturanten denke, die waren Monate nicht in der Schule und haben sich trotzdem auf die größte Prüfung ihres aktuellen Lebens vorbereitet – und viele bestanden mit Bravour. Da steht viel mehr dahinter als nur reines Abprüfen von formalen Inhalten, da geht es wirklich um Reife, Resilienz und Selbstorganisation, und das haben die jungen Menschen absolut bewiesen. Ich bin voller Bewunderung, was die geschafft haben, das muss ich ehrlich sagen.

Mit der Aussicht auf Normalität füllen wieder andere Themen die Schlagzeilen – zuletzt vor allem die zunehmende Gewalt gegen Frauen! Sind da die Corona-Lockdowns mit ihrer gesellschaftlichen Isolation ein Auslöser oder sind die Hintergründe tieferliegend zu suchen?

Lassen Sie mich hier eines ganz deutlich sagen: Gewalt hat keinen Platz und jede Gewalttat ist eine zu viel! In Folge der Pandemie haben wir eine gestiegene Nachfrage bei der Beratung und Begleitung gesehen und umgehend reagiert. Die Umstellung auf ein digitales Angebot war der richtige Weg, weil wir gemerkt haben, dass es oft nicht möglich war, eine Beratungsstelle persönlich aufzusuchen. Die Cybermobbing-Kampagne des Landes wurde noch einmal gestartet, um zu signalisieren, dass Oberösterreich keine Gewalt an Frauen toleriert – und die kann physisch, psychisch, mit Worten oder mit Taten passieren.

Wie weit weg ist unsere Gesellschaft in Wirklichkeit von der Gleichberechtigung? Ich denke dabei nicht ans Gendern, sondern an gleiche Löhne für gleiche Arbeit, gleiche Chancen und gleiche Rechte.

Für mich ist Frauenpolitik kein Modewort oder Kapitel in einem Buch. Es ist für mich auch keine isolierte Materie, sondern eine breit zu denkende Thematik, die uns in allen Lebensbereichen begegnet. Und mir persönlich in meiner täglichen Arbeit. Ich bin der Ansicht, dass wir es uns einfach nicht mehr leisten können, das Potenzial von Frauen aufgrund falscher Rollenbilder zu vergeuden. Viele rechtliche Rahmenbedingungen sind schon auf den Weg gebracht worden, das ist gut und wichtig. Nach wie vor gibt es aber die rechtliche Notwendigkeit, die es noch gilt umzusetzen, wie zum Beispiel das automatische Pensionssplitting. Wir haben uns in Oberösterreich im Rahmen der Frauenstrategie dazu bekannt, dass wir bis 2030 das Ziel der Gleichstellung in allen Lebensbereichen erreicht haben wollen. Da braucht es aber vereinte Kräfte im Land, Bund, den Unternehmen, da braucht’s die Vereine, denn das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der wir uns bekennen und die wir erreichen wollen. Und wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit im 21. Jahrhundert.

Sie sind ÖAAB-Landesobfrau und im Bund Obmann-Stellvertreterin: Der ÖAAB will über den Sommer „Die Neuen Antworten“ finden. Wo wird man ansetzen?

Der Zeitpunkt den Prozess jetzt zu starten ist gut gewählt. Zum einen sind die Fragen drängender denn je, etwa wie schaut die neue Arbeitswelt aus. Zweitens ist es wichtig, dass man nicht sagt, wir machen jetzt Corona und kommen dann nachher in Arbeitsroutinen wieder rein, die ein freies und ungezwungenes Denken nicht zulassen. Genau jetzt ist trotz der Belastung oder den Aufgaben auf allen Seiten der richtige Zeitpunkt, darüber nachzudenken. Und ich finde es wichtig, dass Bundesobmann August Wöginger sich dazu entschieden hat, es gerade jetzt zu machen.

Sie leiten in diesem „DNA-Prozess“ den Bereich „Gesundheit“ und „Soziales“. Was kann man sich da erwarten?

Wir haben neun Arbeitsgruppen mit den unterschiedlichsten Themenfeldern. Ich darf selbst bei den Themen Gesundheit, Pflege, Sport und Behinderung dabei sein – und das sind tolle Gespräche mit vielen Ideen und interessanten Ansätzen, ganz bewusst ohne Scheuklappen. Wir diskutieren ergebnisoffen.

Mit Landeshauptmann-Stv. CHRISTINE HABERLANDER sprach Harald Engelsberger

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