Zwei Rebellen unter sich

Neu aufgelegt: Jörg Fausers herrliche Biografie zu Marlon Brando

Jörg Fauser: Marlon Brando. Der versilberte Rebell. Eine Biographie. Diogenes, 288 Seiten, €24,70
Jörg Fauser: Marlon Brando. Der versilberte Rebell. Eine Biographie. Diogenes, 288 Seiten, €24,70 ©

„Ich weiß nicht, was die Leute erwarten, wenn sie mich treffen. Sie scheinen Angst zu haben, dass ich in die Topfpalme pisse oder sie auf den Hintern schlage. Können sie sich nicht an die Tatsache gewöhnen, dass ich ein menschliches Wesen bin?“

Zitat Marlon Brando 1951 nach seinem Raketenstart zum Weltstar in „Endstation Sehnsucht“. Keine leichte Übung, das „menschliche Wesen“ Brando wahrzunehmen. Das Kinopublikum hatte einen jungen Gott gesehen.

Brandos feuchtes T-Shirt fortan Teil der US-amerikanischen Populärkultur, seine verschleppte, nuschelnde Sprechweise vielfach kopiert. Eine unverschämt natürliche, schnoddrige Coolness, die auch den jüngeren Halbgott der Leinwand, James Dean, wesentlich inspirierte. (Elvis und später Jim Morrison lernten ebenfalls.) Eine herrliche Brando-Biografie zum Wiederlesen, der Autor heißt Jörg Fauser. Eine leidenschaftliche Einfühlung, subjektiv und sehr „heutig“, obwohl bereits 1978 veröffentlicht. Daten über Brando können heute über Wikipedia abgerufen werden, Fauser spürt dem „Sound“ des Bewunderten nach. Oder ist es der Sound, der Fauser für sein eigenes Leben vorschwebte? Auszug aus Brandos Jugend: „Rausschmiss aus den meisten Schulen, und zwar nicht wegen großer pathetischer Gesten, sondern einfach dieses coole ,Leck mich’, wenn der Lehrer auf das Gesittete und Frommende und das Nützliche des Lernens hinweist.“

Die Biografie „Marlon Brando. Der versilberte Rebell“ ist die erfreuliche Nachlieferung, nachdem der Verlag Diogenes bereits drei zentrale Werke des 1944 bei Frankfurt geborenen Jörg Fauser neu aufgelegt hat. Das Buch hievte einen Autor ins Rampenlicht, an dem bis dahin das Label „Underground“ gehaftet war. Fauser eine singuläre Erscheinung, ein Beatnik, Alkoholiker, ein deutscher Charles Bukowski.

Fauser starb in einer Julinacht 1987, als ihn auf der Autobahn ein Lkw erfasste.

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Gespiegelt aneinander im Buch der Jahrhundertschauspieler und der aufmüpfige Deutsche. Brando im Dauerclinch mit dem System Hollywood, Größenwahn da wie dort, kolossale Misserfolge an den Kinokassen.

Strahlende Wiederkehr als „Der Pate“

Strahlende Wiederkehr 1972 in Francis Ford Coppolas „Der Pate“. Brandos Engagement für Afroamerikaner, für amerikanische Ureinwohner (das ging dem „liberalen“ Hollywood dann doch zu weit). Fauser wütet naturgemäß in kleinerem Rahmen. Attacken gegen den deutschen Kulturbetrieb („Streuselkuchengesinnungsmafia“) und Distanz zu literarischen Ausläufern nach ’68. „Clevere Studenten“, ätzte Fauser noch 1984 in seinem bekanntesten Roman „Rohstoff“ über lebenssaftlose Kunstrebellen.

Ein blinder Fleck Fausers und kleine Ironie, dass auch die Rolling Stones, die Fauser mehrfach wohlwollend zitiert, zumindest in ihren Ursprüngen unter die Rubrik „Clevere Studenten“ fallen.

Wärmste Empfehlung, „Der versilberte Rebell“ ist ein anregendes Lesevergnügen.

Von Christian Pichler

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