Zwischen Salzburg und Bad Ischl, zwischen 1893 und Donnerstag

Theater Phönix: „Die Affäre Odilon“ von Thomas Baum zum Jubiläum

Ferry Öllinger und Ingrid Höller
Ferry Öllinger und Ingrid Höller © Helmut Walter

Eine komplexe Konstruktion von Theater im Theater im Theater, viele Ebenen im bis unter die Decke voll gekramten Bühnenhintergrund. Als imaginärer Übertitel steht im Raum „Die Rückkehr der Urgesteine, 30-Jähriges Bestandsjubiläum des Phönix“, mit Ingrid Höller, Ferry Öllinger und Helmut Fröhlich.

Haus- und Hofautor Thomas Baum schrieb den drei Mitgründern als dramatische Komödie „Die Affäre Odilon“ auf den Leib, wie er selbst sagt. Die Hauptrollen, ein selbstgefälliger Schauspieler, eine gefeierte Diva und der alte Kaiser sollten doch perfekt passen! Was lief da so daneben? Premiere war am Donnerstag.

Zwischen Trash und Lehrstück

Volksschauspieler Alexander Girardi soll auf Betreiben seiner Gattin, der gefeierten Diva Helene Odilon, und ihres Liebhabers Baron Rothschild in eine Irrenanstalt eingewiesen werden. Doktor Julius Wagner-Jauregg rühmt sich seiner neuen elektrischen Behandlungsmethode, die ihm Rothschild finanziert. Nur der Kaiser kann Girardi retten und erlässt in der Folge ein Gesetz zur Neuregelung von Entmündigungen. „Auf die Plätze, wir spielen wie wirklich.“ Das Theater im Theater beginnt. Der alternde Girardi will die Odilon-Geschichte inszenieren.

Realität auf vielen Ebenen, Analogien zum Heute aus der vorigen Jahrhundertwende, Schulwissen, Sozialkritik, Geblödel mit Einwürfen einer fiktiven Regisseurin (Anna Maria Eder) aus undefinierter Zeit. Auch die Kostüme, meist Bademäntel, bieten keinen zeitlichen Anker. Die Inszenierung von Alexander Kratzer laviert zwischen Trash und Lehrstück, angesiedelt zwischen 1890 und Donnerstag. Gelegentlich scheinen auch die Darsteller nicht mehr zu wissen, wann und wo sie gerade agieren. Musikalischer Lichtblick ist Gilbert Handlers Variante der lieben kleinen Eisenbahn „Zwischen Salzburg und Bad Ischl“. Die gefeierte Diva Helene Odilon spielt Ingrid Höller, jung und alt zugleich, wie früher will sie geküsst werden auf der Bühne. Zusammen mit Rothschild auf dem Fahrrad erreicht sie stöhnend einen Gipfel.

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„Unterleibsorientierte Seitenblicks-Elevin“, nennt Katharina Schratt (Marion Reiser) ihre Rivalin. Es kommt noch deftiger: „Eingebildete Schauspielerblunzen“ bis zu „Eine, die schwanzorientierte Machtverhältnisse zu nutzen weiß“. „I hob zwa harbe Rappen“, das Fiakerlied singt ihr Girardi in der Hochzeitsnacht, während sie so breitbeinig wie vergeblich wartet. Singen ist nicht die Stärke von Ferry Öllinger, schon gar nicht, wenn der Plattenspieler im Hintergrund hängen bleibt. Trotz aller gespielten Eitelkeit wirken er, wie auch der stets ein wenig unsichere Kaiser Helmut Fröhlich, als ob sie ins Privatleben flüchten wollten angesichts der vielen Zeit-, Sprach- und Handlungsebenen.

Aufkommender Nationalsozialismus und zurück zur Probe. Für Geld spielt der Jungnazi auch den Rothschild (Markus Hamele in der Doppelrolle). Die Rolle des Julius Wagner-Jauregg (komisch angelegt und böhmakelnd Felix Rank) prangert nicht nur die langjährige Verehrung dieses Wegbereiters für Massenmörder an. Von einer Kanzel aus propagiert er Rassentheorien, definiert unwürdiges Leben und rühmt seine Elektroschocks. Dass zum Spaß die Darsteller bei der Verabreichung dieser Folter immer wieder so lustig haxeln, kann nur als unfreiwillige Komik durchgehen. Auf der Reise zwischen Salzburg und Bad Ischl entgleist der Zug mehrmals, vor allem scheinen weder Lokführer noch Mitfahrer Ziel und Zweck der Fahrt zu kennen.

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