Viel Rauch, wenig Glut: Reinhard Kaiser-Mühleckers „Brennende Felder“

Der neue Roman des 41-jährigen Oberösterreichers wartet mit einer Protagonistin auf, die viele Probleme hat, liefert aber wenig Argumente, warum diese von allgemeinem Interesse sein sollen

„Brennende Felder“. Ein Buchtitel, der zu einer Geschichte über einen Vernichtungskrieg und die Leiden der Zivilbevölkerung ebenso passen würde wie zu einem neuen Beispiel jener immer beliebteren Climate Fiction, in denen die Auswirkungen der Klimakatastrophe anklagend in den Mittelpunkt gerückt werden. Im neuen Roman von Reinhard Kaiser-Mühlecker geht es weder um das eine noch um das andere. Worum es aber wirklich geht, ist nach Lektüre der 360 Seiten schwer zu sagen.

Authentizität gepaart mit Originalität

Ja, Felder brennen im Laufe dieser Geschichte tatsächlich einmal, in Brand gesetzt von Erntemaschinen, die unter ungewöhnlich heißen Witterungsbedingungen selbst Feuer gefangen haben. Kaiser-Mühlecker weiß, wovon er schreibt, denn er hat im Oberösterreichischen den Hof der Eltern übernommen und sitzt ebenso oft am Traktor wie am Schreibtisch. Authentizität gepaart mit Originalität sind zwei der Erfolgsfaktoren seiner Romane, die sich in der urban geprägten Gegenwartsliteratur ziemlich einzigartig ausnehmen. Aber dem Nebenerwerbsschriftsteller geht es diesmal nicht darum, die Wahrnehmung des ländlichen Raums zu intensivieren.

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Tiefe Furchen, die das Leben hinterlässt

Mehr als um brennende Felder geht es um verbrannte Erde. Um tiefe Furchen, die das Leben hinterlässt, und die manchmal nicht planiert werden können, manchmal auch gar nicht plattgemacht werden sollen. Seine Protagonistin Luisa Fischer hat viel durchgemacht, nach und nach kommt man dahinter. Zwei Kinder aus zwei früheren Partnerschaften leben im Ausland und werden von ihr ebenso unregelmäßig wie überfallsartig besucht. Sie lebt in einer Villa am Land, aber das Lebensglück sucht sie noch immer, auf Tinder ebenso wie bei alten Bekanntschaften.

Luisa Fischer und ihren beiden Brüdern ist man ebenso wie dem Bauernfunktionär Ferdinand Goldberger, mit dem sie zusammenzieht, bereits in früheren Büchern des heute 41-Jährigen begegnet, dessen Publikationsliste ebenso beeindruckend ist wie die Aufzählung seiner Auszeichnungen. Reichtum und Armut und das unrechtmäßige Zustandekommen dieses Unterschieds auch in der NS-Zeit sind bei Kaiser-Mühlecker ebenso immer wiederkehrende Themen wie Vorurteile oder Benachteiligungen aufgrund von Herkunft und Geschlecht. All‘ das findet sich auch in „Brennende Felder“. Und das ist ein Problem.

Reinhard Kaiser-Mühlecker kennt die Herausforderungen der Schriftstellerei, und so versucht er, seinem Dilemma ein Schnippchen zu schlagen, indem er es auch zum Problem seiner Hauptfigur macht. Luisa Fischer arbeitet an ihrem Debütroman. Ein Briefträger soll vorkommen. Und viele Sätze, die gut klingen, von denen sie aber noch nicht recht weiß, wo sie diese am passendsten einbauen könnte. Sie weiß, dass Literatur alltägliche Dinge außerordentlich zu machen versteht. Daran muss sie noch arbeiten. „Dass die Landschaften ihr nichts sagten, lag nicht an den Landschaften, sondern an ihr. Es war, weil sie sie nicht kannte und keine Sprache für sie hatte, keine Worte, keine Namen, keine Bezeichnungen.“

„Brennende Felder“ tritt passagenweise immer wieder den Gegenbeweis an. Ein Angelausflug wird in der Detailgenauigkeit seiner Schilderung so zum praktischen wie literarischen Lehrstück, das einer gewissen Komik nicht entbehrt. Auch Suspense beherrscht der Autor. Erstaunlich ist nur, mit welch leichter Hand er darauf verzichtet, Szenen, in denen geschossen, gestochen, gewürgt und beinahe erschlagen wird, so einzubetten, dass sie sich nicht nur zu Ahnungen, sondern zu Gewissheiten erzählerischer Logik zusammenfügen lassen.

Viel Rauch, aber kein Glutnest

Dass Luisa Fischer ein kompliziertes Leben und einen komplexen Charakter hat, bekommt man bald mit. Wie das alles zusammenhängt und vor allem, warum das alles einen interessieren soll, darüber hätte man gerne mehr erfahren. So droht sich allzu früh eine gewisse Gleichgültigkeit ihren Problemen und ihren vielen Beziehungen gegenüber einzustellen. Viel Rauch, aber kein Glutnest und kein Brandherd.

Fischer selbst freilich ist das egal. Denn die setzt sich erst am Ende von „Brennende Felder“ daran, aus den vielen Vorstudien ihren eigenen Roman zu schreiben: „Sie hatten alle keine Ahnung und würden sich noch wundern, wenn ihr Buch erst einmal fertig war. Konnte nicht mehr sehr lang dauern, auch wenn sie vielleicht noch einmal von vorne anfangen müsste.“

Von Wolfgang Huber-Lang

Reinhard Kaiser-Mühlecker: „Brennende Felder“, S. Fischer Verlag, 368 Seiten, 26,50 Euro

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