Brucknerfest-Eröffnung: Stelzer-Appell für Neustart in Zusammenarbeit

Land und Stadt sollten „wieder mehr gemeinsame Sache“ machen - Festival steht im Jubiläumsjahr im Schatten des Brucknerhaus-Skandals

Festrednerin Lisz Hirn widmete sich der Bedeutung der Kunst für die Demokratie. © Reinhard Winkler

In Linz ist am Sonntag das Internationale Brucknerfest offiziell eröffnet worden. Der Festakt stand im Schatten der Brucknerhaus-Affäre. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) rief zu einem Neustart in der Zusammenarbeit zwischen Land und Stadt auf, denn dem Publikum „ist es egal, wer im Grundbuch als Eigentümer vermerkt ist“. Festrednerin Lisz Hirn widmete sich ebenso wie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) der Bedeutung der Kunst für die Demokratie.

Seit Jahren wurde bei der Eröffnung des Brucknerfestes von sämtlichen Rednern in freudiger Erwartung auf das anstehende Brucknerjahr 2024 hingewiesen, in dem der 200. Geburtstag des Komponisten gefeiert wird. Im Jubeljahr war die Feierlaune allerdings etwas gedämpft. Es fehlten der Brucknerhaus-Intendant – Dietmar Kerschbaum ist heuer u.a. wegen Compliancevorwürfen entlassen worden – und Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) hatte Ende August seinen Hut nehmen müssen, weil er Kerschbaum vor dessen Bestellung die Hearing-Fragen zugespielt und das immer geleugnet hatte.

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Stelzer nahm die aktuelle Situation in Linz zum Anlass, einen kulturpolitischen Neustart anzuregen. Jahrzehntelang habe es mit dem Theatervertrag zwischen Land und Stadt „einen mustergültigen Vertrag der Zusammenarbeit“ gegeben, der allerdings 2018 von der Stadt aufgekündigt wurde. Aber nun gebe es „die Möglichkeit für einen Neustart, für eine neue intensivere Zusammenarbeit und eine Absage an Befindlichkeiten“. Seine Hand sei ausgestreckt, so Stelzer, „machen wir wieder mehr gemeinsame Sache“.

Der Landeshauptmann hob in seiner Ansprache vor allem die Fähigkeit der Kultur hervor, das Miteinander zu fördern. „Wer Kultur mag und Kultur hat, der ist nicht darauf aus, auf den anderen geringschätzend oder abwertend hinabzuschauen oder gar auf ihn loszugehen, sondern den oder das andere mit Interesse anzusehen, anzuhören und zu verstehen zu versuchen.“ Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) unterstrich die Bedeutung der Kunst als Pfeiler liberaler Demokratien. Diese würden „weltweit unter großem Druck stehen“, es würden sich „Anfänge zeigen, die die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und das freie Schaffen“ versuchen würden einzuschränken. Dem müsse man sich als Demokrat entgegenstellen.

Bedeutung der Kunst für die Demokratie

Die Philosophin Lisz Hirn widmete sich ihrer Festrede ebenfalls der Bedeutung der Kunst zur politischen Sensibilisierung. Es sei unerlässlich, „sich Dissonanzen auszusetzen, um eine andere, eine neue Perspektive gewinnen zu können“, warnte sie vor „rückschrittlichen Bewegungen, die sich nicht auf die Zukunft richten, sondern in eine fiktiv überhöhte Vergangenheit flüchten“. Ausgerechnet der Biedermann Bruckner habe künstlerisch mit dem österreichischen „So haben wir es schon immer gemacht“ gebrochen.

Westliche Demokratien müssten zeigen, wofür sie stehen, und zudem Souveränität gegenüber den Maschinen gewinnen. „Ansonsten drohen Algorithmen und Bot-Armeen die Stimmfähigkeit unserer Demokratien endgültig zu sabotieren. Dies zu verhindern, bedeutet auch, Räume und Werke zu schaffen, in denen wir einander wieder zumuten und -hören müssen. An dieser Stelle kommt dem Kultur- und Kunstschaffen eine Schlüsselfunktion für das Gedeihen einer Gesellschaft zu.“

Die Brucknerhaus-Chefetage wurde mangels Intendant vom kaufmännischen Leiter René Esterbauer vertreten, statt Luger trat Vizebürgermeisterin Karin Hörzing (SPÖ) als geschäftsführende Stadtchefin vor die eher locker gefüllten Publikumsreihen im Großen Saal. Sie rief dazu auf, „angesichts der aktuellen Entwicklung Besonnenheit und Überblick zu bewahren“. Es werde dem künftigen Stadtoberhaupt, das am 12. Jänner gewählt wird, obliegen „hier im Haus die entsprechenden Weichenstellungen vorzunehmen“, um die Eigenständigkeit des Brucknerhauses als Kulturinstitution zu festigen.

Zufriedene Bilanz des Brucknerjahres

Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer (ÖVP) zog für den künstlerischen Bereich eine zufriedene Zwischenbilanz des Brucknerjahres: „Ein Gesamtjahresprogramm ist uns gelungen, wie wir es seit Linz09 nicht mehr in diesem Umfang hatten“, verglich sie es mit der Europäischen Kulturhauptstadt vor 15 Jahren. „Die Politik sollte also diesem erfolgreichen Beispiel des Brucknerjahres auch bei den Entscheidungen für die Zukunft dieses Hauses folgen“, wünscht sie sich in Hinblick auf einen erforderlichen Neustart im Brucknerhaus.

Musikalisch umrahmt wurde der Festakt vom Bruckner Orchester Linz unter seinem Chefdirigenten Markus Poschner, das neben Musik des Namensgebers u.a. auch die Uraufführung eines Werks von Johannes Berauer im Gepäck hatte. Das Klassik-Festival, das traditionell mit Bruckners Geburtstag am 4. September beginnt und mit seinem Todestag am 11. Oktober endet, steht heuer unter dem Motto „Unendliche Weiten – Bruckners Werk als Griff nach den Sternen“. Im Programmheft findet sich u.a. die weltweit erste zyklische Aufführung aller elf Bruckner-Sinfonien – neben den neun bekannten auch die Studiensinfonie und die annullierte „Nullte“ – durch Originalklang-Orchester.