Das vor neun Jahren gegründete Hamburger „Stegreif – Improvising Symphony Orchestra“ hat sich darauf spezialisiert, klassische Sinfonien neu zu arrangieren und zu rekomponieren. Das Österreichdebüt des noch immer jungen Ensembles vor vier Jahren hatte dazu geführt, für das Bruckner-Jahr 2024 eine Einladung auszusprechen, eine der Sinfonien des Jahresjubilars neu zu erarbeiten. Das Ergebnis von Bruckners 7. Sinfonie erlebte Sonntagabend im Brucknerhaus die umjubelte Premiere.
„Stegreif“- bestehend aus 22 Musikerinnen und Musikern – spielt ohne Noten und Dirigenten. Die Besetzung ist mit Schlagzeug, E-Gitarre und Altsaxofon ergänzt. Die von Ensemblemitglied Alistair Duncan stammende Rekomposition wird so perfekt präsentiert, dass selbst die Solis und in kleiner Formation musizierten Abschnitte nicht mehr „improvisiert“ erscheinen. Bruckners Struktur seiner „Siebenten“ ist beibehalten, mit zahlreichen bekannten Zitaten.
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Trauerzug durchs Publikum
Starkes Ausgangsmaterial für die Improvisationen bildet das Thema Trauer im Adagio der Sinfonie. Sie bildet den Hauptteil der 90-minütigen, pausenlosen Aufführung und wird auch in ihrer Aufarbeitung ersichtlich. So legen etwa die anfangs Trauerschleier tragenden Musikerinnen und Musiker diese allmählich ab, nachdem sie so zuvor einen musikalischen Trauerzug durchs Publikum gehalten und dieses dabei zum Aufstehen eingeladen haben. Ein weiß gedeckter zehn Meter langer Tisch versammelt schließlich das Orchester zur finalen musikalischen Zehrung.
Ein Markenzeichen von „Stegreif“ – schon bei ihrem ersten Auftritt 2020 in Linz – ist die überzeugende Bewegungschoreografie, bei der auch überbordende Freude am Musizieren und Improvisieren Platz hat. Dem Ausklingen einer Bruckner-Sinfonie folgen meist Momente der Stille. Für die Stegreif-Darbietung explodierte geradezu der Applaus.
Von Wolfgang Katzböck