Die Frankfurter Buchmesse (16. bis 20. Oktober) stellt sich auf einen neuen Typ Leser ein. Unter dem Motto „Verwurzelt in der Zukunft“ will sich das Gastland Italien präsentieren – im Vorfeld hat es mit den Verantwortlichen in Rom geknirscht. Die Nachfrage nach Tickets läuft allerdings super, wie die Organisatoren berichten. Am 15. Oktober wird eröffnet.
Romantische Romane für junge Erwachsene, wahlweise erotisch gewürzt, mit Fantasy vermischt oder in Varianten wie „Dark College“ – das ist „New Adult“, ein Literaturgenre mit besonders treuer Leserschaft. Die Buchmesse hat für „New Adult“ in diesem Jahr 8.000 Quadratmeter freigeräumt.
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„Wir haben eine neue Art von Lesern kennengelernt“, sagt Buchmessen-Direktor Juergen Boos: „Leser, die Fans sind“ – die darauf brennen, ihre Lieblingsautoren live zu erleben, die sich vor Bücherwänden fotografieren wollen, die bereit sind, sich stundenlang für ein Autogramm anzustellen.
Auch andere Trendthemen werden bedient: Erstmals gibt es eine „Asia Stage“. Ein „Games Business Center“ will Verlage und Spielehersteller zusammenbringen. Das „Audio“-Areal für Hörbücher und Podcasts ist doppelt so groß wie bisher.
Bei „Book to Screen“ geht es um Bücher, die zu Filmen werden, und Bücher, die aus Filmen hervorgehen. Netflix hat erstmals einen eigenen Stand auf der Messe. Die Plattform Tiktok ist mit dem erfolgreichen Buchformat „Booktok“ wieder prominent dabei.
Ehrengast ist in diesem Jahr Italien, das 90 Autorinnen und Autoren nach Frankfurt bringt. Nicht alle sind Teil der offiziellen Delegation: Einige – wie der weltbekannte, von der Mafia verfolgte Schriftsteller Roberto Saviano – kommen auf Einladung ihres Verlages. Andere sind Teil des kuratierten Programms am Gemeinschaftsstand des Italienischen Verlegerverbandes – ein Novum in der Geschichte der Gastländer bei der Messe. Saviano wurde mit „Gomorrha“, einer literarischen Reportage über die Camorra in Neapel, berühmt. Seit der Veröffentlichung des Mafia-Enthüllungsbuchs im Jahr 2006 erhält er Todesdrohungen und steht unter Polizeischutz.
Bereits einige Monate vor der Eröffnung kam es zwischen italienischen Autoren und Vertretern der rechten Regierung in Rom zum offenen Streit. In einem offenen Brief drückten 41 Schriftsteller ihr Unbehagen über die vom Gastland verantwortete Programmgestaltung aus. Für Empörung sorgte jedoch vor allem, dass Saviano in der italienischen Delegation ursprünglich nicht berücksichtigt wurde. Der Vorgang führte in Italien zu einem Eklat.
Der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wurde vorgeworfen, nicht genehme und regierungskritische Stimmen von der Buchmesse auszuschließen und sich zunehmend in den Kulturbetrieb einzumischen. Saviano gilt als einer der vehementesten Kritiker Melonis. Mehrere Autoren zogen sich aus Protest aus der offiziellen Delegation zurück. Saviano wurden dann doch noch eingeladen, verzichtete aber und kommt weiter nur für den Verlag.
Dass es zwischen Buchmesse und dem Gastland einen Dissens gab, bestreitet Buchmessen-Chef Boos. Simone Bühler, die Leiterin des Ehrengast-Programms, drückt es so aus: „Viele Wege führen nach Rom. Und in diesem Jahr führen viele Wege Schriftsteller nach Frankfurt.“
Das Programm auf der Messe selbst ist im Vergleich zu anderen Gastländern eher dürftig: Im Ehrengast-Pavillon gibt es zwischen antiken Säulen Ausstellungen über Geschichte und Kultur Italiens. In einem dieser Kabinette geht es um den Erfinder des Taschenbuchs, in anderen um Führung und Macht bei Machiavelli (1469-1527), das Design der Firma Kartell oder die Pirelli-Kalender. Im Begleitprogramm wird vor allem viel gesungen. Nur 64 Bücher wurden mithilfe eines Förderprogramms neu ins Deutsche übersetzt.
Über 1.000 Autoren und Sprecher bei 650 Veranstaltungen auf 15 Bühnen erwarten die Besucher der Frankfurter Buchmesse. Für die politischen Debatten hat sich die Messe eine neue Dachmarke ausgedacht: „Frankfurt Calling“. Der israelische Historiker Yuval Noah Harari („Nexus“) diskutiert zum Beispiel mit dem japanischen Philosophen Kohei Saito („Systemsturz“) über unsere Optionen für die Zukunft. „Auf der Buchmesse erleben die Besucher – literarisch gespiegelt – alle großen Debatten der Welt“, verspricht Boos.
Ein Superstar wie Salman Rushdie ist in diesem Jahr nicht dabei, aber angekündigt sind zum Beispiel die Bestsellerautoren Sebastian Fitzek und Elif Shafak, die „New Adult“-Stars Jane S. Wonda und D.C. Odesza oder die Moderatoren Thomas Gottschalk und Judith Rakers. Neben Saviano kommen weitere große Namen der italienischen Gegenwartsliteratur als Teil der offiziellen Delegation. Darunter Nicola Lagioia („Die Stadt der Lebenden“), Donatella Di Pietrantonio („Arminuta“), Dacia Maraini („Kinder der Dunkelheit“), Susanna Tamaro („Geh, wohin dein Herz dich trägt“) und Melania G. Mazzucco („Die Villa der Architektin“).
Die Vorverkaufszahlen lagen laut Buchmesse drei Wochen vor Beginn bereits deutlich über dem Vorjahr. Die Zahl der Aussteller und der verkauften Fläche bewegt sich auf dem Niveau des Vorjahres. 2023 waren rund 215.000 Besucherinnen und Besucher gekommen. Mehr als 4.000 Aussteller aus 95 Ländern hatten ihre Neuerscheinungen präsentiert.
Die Buchmesse wird am 15. Oktober eröffnet und dauert bis zum Wochenende danach. Flankiert wird die Messe von zwei Preisverleihungen: dem Deutschen Buchpreis am Montag (14.10.) und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels am Sonntag (20.10.).
In der Innenstadt gibt es neben den Lesungen der Veranstaltungsreihe „Open Books“ einen „Escape Room“ auf dem Paulsplatz. In dem Erlebniswürfel kann man Goethe auf seiner „Italienischen Reise“ ins Sehnsuchtsland der Deutschen begleiten. Der Dichter blieb ein Leben lang beeindruckt von seinen Eindrücken im Land der blühenden Zitronen. Der „Escape Room“ stellt Goethes Wohnung in der Via del Corso im historischen Zentrum Roms nach.