Ein monumentales antikes Heiligtum hat ein internationales Archäologenteam unter Beteiligung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Griechenland freigelegt. Bereits in den vergangenen Jahren stieß man auf Reste eines Tempels des Poseidon-Heiligtums. Heuer ist es den Forschern gelungen, den 28 Meter langen und knapp 9,5 Meter breiten Tempel in ganzer Größe freizulegen, teilt die ÖAW mit. Zudem entdeckte das Team auch ein großes Marmorbecken und eine beschriebene Bronzetafel.
Der griechische Geschichtsschreiber Strabon erwähnte vor rund 2.000 Jahren in seinem 17-bändigen Werk „Geographika“ ein regional bedeutendes Poseidon-Heiligtum an der Westküste der Halbinsel Peloponnes. Über 100 Jahre lang wurde die Kultstätte von Forschern bei den Hügeln von Kleidi gesucht. Aufgrund der relativ präzisen Beschreibung Strabons konnte ein Team österreichischer, deutscher und griechischer Forscherinnen und Forscher 2021 mithilfe geophysikalischer Untersuchungen unterhalb der antiken Festung Samikon Hinweise auf einen tempelartigen Grundriss entdecken.
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Bei Grabungen im Vorjahr entpuppte sich der Poseidon-Tempel als Monumentalbau – deutlich größer als ursprünglich angenommen. Mittlerweile haben die Archäologinnen und Archäologen die Kultstätte in ihrer gesamten Länge freigelegt.
Der Tempel unterteilt sich in zwei große Räume, die jeweils durch zentrale Innenpfeiler und eine Vorhalle mit zwei Säulen gegliedert sind. „Nach derzeitigem Kenntnisstand handelt es sich um einen archaischen Doppeltempel, der vermutlich aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. stammt“, erklärte Birgitta Eder, Leiterin der Außenstelle des Österreichischen Archäologischen Instituts der ÖAW in Athen in einer Aussendung. Das Tempeldach wurde offenbar in den Jahren um 300 v. Chr. abgetragen und im Inneren des Gebäudes deponiert.
Bei den von der Gerda Henkel Stiftung und der ÖAW finanzierten Ausgrabungen haben die Archäologen zudem Fragmente eines großen archaischen Marmorbeckens mit einem Durchmesser von rund einem Meter entdeckt, ein „Perirrhanterion“ genanntes rituelles Reinigungsgefäß. Es wurde schon in der Antike mit Eisenklammern repariert. Zusammen mit einem bereits 2022 gefundenen Teil kann es nun fast vollständig rekonstruiert werden.
Weiters wurde eine großformatige Bronzetafel gefunden, die ursprünglich an einer der Lehmziegelmauern des Tempels befestigt war. Die Tafel ist in einem sehr fragilen Zustand und musste deshalb im Block mit dem umgebenden Erdreich geborgen werden. „Erste Röntgenaufnahmen zeigen Teile einer umfangreichen Inschrift, die allerdings erst nach einer aufwendigen Restaurierung vollständig lesbar sein wird“, erklärte die Archäologin, die sich von dem Text weitere wertvolle Einblicke in die Geschichte und Nutzung des Heiligtums erhofft.
Strabon beschrieb das Poseidon-Heiligtum als „Hain mit wilden Olivenbäumen“. Deshalb suchten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter auch rund um den Tempel, um mehr über das Ausmaß der Anlage herauszufinden. Tatsächlich konnten sie nach Entfernung der dichten Vegetation nördlich des Tempels den Verlauf einer mächtigen zweischaligen Mauer dokumentieren. Diese markierte möglicherweise den heiligen Bezirk des Poseidon und diente vermutlich als Schutz vor den damals nahe gelegenen Lagunen.
Die bei einer Hügelgruppe gelegene Fundstelle bei Kleidi-Samikon liegt in einer von Lagunen und Küstensümpfen dominierten Landschaft. Aufgrund der exponierten und sicheren Lage in der Nähe des Meeres etablierte sich dort schon in mykenischer Zeit eine Siedlung, die über mehrere Jahrhunderte Bestand hatte und von der aus sich der Weg durch die Sümpfe kontrollieren ließ. Der Poseidon-Tempel stellte den Forschern zufolge das religiöse und ethnische Zentrum des bedeutenden Bundes von Städten in Triphylien dar, wie die Landschaft an der Westküste des Peloponnes in der Antike genannt wurde.