Theater ist unberechenbar! Sich über schlechtes Theater lustig machen und gleichzeitig das Horrorfilm-Genre verarschen – da kann doch nichts schiefgehen? Doch, kann es. „Der Sumpf des Grauens“ im Wiener TAG, angekündigt als „Theater-Persiflage mit komödiantischer Agatha-Christie-Spannung“, erwies sich bei der Premiere am Samstag als weder sonderlich lustig noch besonders schaurig. Obwohl neben den Theaterblutvorräten auch die Stimmbänder des Ensembles nicht geschont wurden.
Das Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) befindet sich in der Schlussrunde, ehe im Herbst 2025 Sara Ostertag das Ruder übernimmt. In der vorletzten Eigenproduktion der Direktion von Gernot Plass und Ferdinand Urbach ist ein bisschen ironische Selbstbespiegelung angesagt. Kaja Dymnicki und Alexander Pschill, die in ihrem kleinen Bronski & Grünberg Theater in Wien-Alsergrund intelligentes Trash-Theater machen und ihr Erfolgsrezept 2022 auch schon im TAG auf „Ödipus“ anwandten (wofür es eine Nestroy-Preis-Nominierung gab), zeigen ein Ensemble bei der Arbeit an „Macbeth“. Wie viele der Gags dem echten TheaterallTAG entnommen wurden, lässt sich nur erahnen. Mehr eine Erkenntnis als eine Ahnung gewinnt man jedoch in der ersten halben Stunde: Schlechtes Theater muss besonders gut gespielt werden, damit es lustig wird.
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Regisseur Lasko Vogelsang, dem wir bei den Endproben zu dem mit einem Fluch beladenen „schottischen Stück“ zusehen, hat zwar seltsame Arbeitsmethoden, aber in Gestalt von Stefan Lasko keinerlei Charisma. So wird inmitten ostentativer Mittelklasse-Routine, die vom TAG-Ensemble rund um Georg Schubert, Emanuel Fellmer und Jens Claßen genüsslich zelebriert wird, der Zickenkrieg der jungen Einspringerin für die Rolle der Lady Macbeth und der überraschend aus ihrer Auszeit zurückgekehrten Schmalspur-Diva zum Hauptereignis. Lisa Weidenmüller balanciert glaubhaft zwischen der Begeisterung, es endlich „ans Theater“ geschafft zu haben, und dem Erstaunen darüber, in welch banale Machtkämpfe sie da hineingeraten ist, und bewährt sich gegen Michaela Kaspar als mit allen Wassern der Intrige gewaschene Platzhirschkuh.
Als die ersten Durchhänger des Zwei-Stunden-Abends immer mehr in Bodennähe kommen, verschwindet die sonst 24/7-präsente Regieassistentin und wird portionsweise in nicht mehr arbeitsfähigem Zustand aufgefunden. Das ist der Anfang von einem Zehn-kleine-Negerlein-Spiel, das der Regisseur noch anheizt, indem er die Ausgänge versperrt und die Schlüssel verschluckt. Er wittert die Chance auf den Theatercoup seines Lebens. Echte Emotionen! Echte Angst! Echtes Blut!
Statt die Spannung langsam aufzubauen und jedem seine eigenen Angstfantasien entwickeln zu lassen, lässt das Regie- und Autoren-Duo die Katze bzw. den Wolf bald aus dem Sack: Wo eine „Werwolf-Komödie“ angekündigt ist, muss schließlich auch ein Werwolf drinnen sein. Helena Hutten macht das Beste aus ihrem Kostüm (der Regisseur trägt wohl nicht von ungefähr ein „Cats“-Sackerl mit sich) und ihren spitzen Zähnen – der „Sumpf des Grauens“ scheint allerdings mehr trockengelegt als renaturiert.
Um beim Werwolf nicht nur das Wer, sondern auch das Woher, Wohin und Warum hinzubekommen, sind schon ein paar Volten notwendig. Mit einem Schlussauftritt von Gernot Plass als Intendanten-Gott, der seine eigenen Vorstellungen von Theatervirus hat, konnte allerdings niemand rechnen. Plass wird am 18. Jänner seine Abschiedsinszenierung ebenfalls Shakespeare widmen. Sein „König Lear“ soll ein „Abgesang auf das Patriarchat“ werden. Einen Hinweis darauf hat er heute schon gegeben: Hütet euch vor Schwedenbomben!
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
„Der Sumpf des Grauens“, eine „Werwolf-Komödie“ von Kaja Dymnicki und Alexander Pschill. Regie und Ausstattung: Kaja Dymnicki und Alexander Pschill, Musik und Sound: Stefan Lasko. Mit Jens Claßen, Emanuel Fellmer, Ida Golda, Michaela Kaspar, Stefan Lasko, Georg Schubert, Lisa Weidenmüller sowie Helena Hutten, Katja Thürriegl, Renate Vavera und Gernot Plass. Theater an der Gumpendorfer Straße, Wien 6, Gumpendorfer Straße 67, Nächste Vorstellungen: 4., 16., 19., 20., 21. und 23. November, 20 Uhr, dasTAG.at