Shawn Mendes meldet sich mit Seelen-Striptease zurück

Shawn Mendes lässt in sich blicken © APA/AFP/OLI SCARFF

Der kanadische Popstar Shawn Mendes, seit seinen Teenie-Jahren im Rampenlicht, hat 2022 völlig überraschend den Stecker gezogen. Er unterbrach seine auf zwei Jahre angelegte Welttour und sagte die restlichen rund 90 Konzerte später komplett ab – wegen mentaler Probleme. Mit 26 Jahren meldet sich Mendes auf seinem Album „Shawn“ zurück, das am Freitag erscheint. Die zwölf Songs sind wenig euphorisch.

„Sorry, aber ich muss es machen, ich muss euch enttäuschen“, richtet der Songwriter gleich zu Beginn des Albums Worte an seine Fans. Im 100-sekündigen Opener „Who I Am“ singt Mendes mit gewohnt sanfter Stimme, dass es ihm das Herz gebrochen habe, seine Tournee abzublasen und er nicht wisse, wie er seinen Fans jetzt gegenübertreten soll.

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Diese ehrlichen und verletzlichen Worte setzen den Ton für ein Album, das auf Gute-Laune-Pophits weitgehend verzichtet. Einzige Ausnahme ist einer der beiden Songs, mit denen sich Mendes vor zwei Monaten zurückmeldete. „Why Why Why“ ist dabei nicht der klassisch-moderne Popsong, sondern beschränkt sich – wie fast das komplette Album – auf eine Akustikgitarre und Folk-Einflüsse.

„Ich komme vom Mainstream-Pop mit viel Autotune und Audio-Kompression“, sagte der 26-Jährige im „Interview Magazine“. Mit diesen technischen Einflüssen werden Stimmen verfremdet und Lautstärke-Pegel verdichtet – laute und leise Töne fallen so weg. Darauf verzichtet Mendes auf seinem Album nun – es klingt dadurch natürlich und authentisch.

„Shawn“ ist definitiv kein Album, das für das moderne TikTok-Zeitalter produziert wurde mit möglichst eingängigen und tanzbaren Textzeilen und Melodien. Für den Künstler selbst ist das auch nicht das Entscheidende. „Ich hätte nie gedacht, dass die minimalistischste Kunst, die ich jemals gemacht habe, mir so viel zurückgibt. Es hat mir schon jetzt so viel mehr zurückgegeben als alle Alben davor.“

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„Shawn“ ist ein Seelen-Striptease mit zurückgenommener Akustik und ehrlichen Worten, die mal mit einer gewissen Leichtigkeit daherkommen („That’s the Dream“), zum Teil aber auch weinerlich klingen („In Between“). Passenderweise endet die Platte dann auch mit dem Cover eines der wohl am traurigsten klingenden Lieder der Musikgeschichte – Leonard Cohens „Hallelujah“.

Viele Fans dürften Mendes dankbar sein, dass er sich in seinen neuen Songs anscheinend tief in sein Seelenleben hineinschauen lässt. Auf der anderen Seite wünscht man dem Kanadier, dass er, mit Mitte 20, mehr Freude im Leben findet und diese auch wieder in seiner Musik vermittelt – wie auf seinen größten Hits „Señorita“, „Treat You Better“ oder „There’s Nothing Holding Me Back“.

(Von Thomas Bremser/dpa)