Der Wechsel von Christian Ilzer von Sturm Graz zu TSG Hoffenheim ist offiziell. Österreichs Fußball-Meister verliert binnen sechs Wochen der laufenden Champions-League-Saison nach dem Sportchef auch seinen Trainer samt Assistenten. Ilzer verlässt Sturm nach drei Titeln und folgt dem Lockruf seines Vertrauten Andreas Schicker, der mittlerweile bei Hoffenheim die Geschicke lenkt. Beim abstiegsbedrohten deutschen Bundesligisten ist das steirische Erfolgstandem nun wiedervereint.
„Ich durfte eine fantastische Zeit beim SK Sturm verbringen, eine großartige Reise, die ich nie vergessen werde. Ich verlasse Graz mit einem weinenden Auge, gleichzeitig aber auch mit Stolz und dem guten Gewissen, eine Topmannschaft, die an der Spitze der österreichischen Bundesliga steht und im ÖFB Cup alle Chancen zur Titelverteidigung hat, zu übergeben“, erklärte Ilzer in einer Aussendung. Mit ihm gehen seine beiden Co-Trainer Uwe Hölzl und Dominik Deutschl, Athletiktrainer Marco Angeler wird dem Trio im Dezember folgen.
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„Ich kenne und schätze Christian durch unsere Zusammenarbeit und bin überzeugt, dass er der Trainer ist, der ideal zu der Idee passt, die ich mir für die TSG Hoffenheim vorstelle“, sagte Schicker zur Verpflichtung. „Sein Spielstil steht für Klarheit und hohe Intensität. Das deckt sich hervorragend mit der DNA der TSG. Er hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass er es schafft, mit seinen Mannschaften attraktiven Fußball zu spielen und dabei auch einzelne Spieler weiterzuentwickeln.“
Sturm-Präsident Christian Jauk berichtete von einem „überraschenden Zeitpunkt“ und dem vergeblichen Versuch, Ilzer von einem Verbleib zu überzeugen. Dem expliziten Wechselwunsch sei man aber „nach sehr guten Gesprächen mit Hoffenheim sowie einer entsprechenden Ablöse“ nachgekommen. „Christian ist ein echter Steirer, der den steirischen Vorzeigeklub gelebt hat wie kein anderer und jeden einzelnen Tag sein gesamtes Herzblut für den SK Sturm gegeben hat“, lobte Jauk.
Ilzer und sein Stab hatten erst im Februar vorzeitig bis 2026 verlängert. Sturm kassiert eine kolportierte Ablöse von mehr als 2,5 Millionen Euro. In der Bundesliga dürfte nur Salzburg für Matthias Jaissle mehr aus Saudi-Arabien überwiesen bekommen haben. Jürgen Säumel, vor der Saison von Schicker auch wegen seiner vorhandenen Bundesliga-Lizenz zu Sturm II geholt, übernimmt interimistisch. Der frühere Sturm-Kapitän und 20-fache ÖFB-Teamspieler startet mit englischen Wochen. Nach dem Heimspiel gegen Klagenfurt am Samstag gastiert Girona in der Champions League in Österreich.
Ilzer, der Sturm zu ungeahnten Höhenflügen führte, scheint für einen Wechsel in eine größere Liga reif. In seiner gut viereinhalbjährigen Ära erlebten die Grazer eine stetige Weiterentwicklung – vergoldet durch das Double aus Meisterschaft und Cup 2024. Schon 2023 hatten die Schwarz-Weißen im Pokalbewerb triumphiert, viermal waren sie in einer internationalen Gruppenphase engagiert. In 195 Spielen mit Sturm holte der 47-Jährige im Schnitt 1,85 Punkte und war damit unwesentlich erfolgreicher als Jahrhunderttrainer Ivica Osim (383/1,83).
Ilzer hat sich über die Stationen SC Weiz, TSV Hartberg, WAC und Austria Wien kontinuierlich nach oben gearbeitet. Nun gehört er einem kleinen Kreis von österreichischen Cheftrainern in europäischen Topligen an. Adi Hütter (Monaco), Oliver Glasner (Crystal Palace) und Ralph Hasenhüttl (Wolfsburg) zählen dazu. Angebote von namhaften Vereinen will Ilzer einige ausgeschlagen haben. Im Sommer noch sprach er von einer „sehr kleinen Anzahl an Clubs, die interessant sind“.
Der Aussicht, auf einer größeren Bühne im bewährten Setting zu arbeiten, wollte Ilzer nicht mehr widerstehen. Im Kraichgau bietet sich wie 2020 bei Sturm die Chance für sportliche Renaissance – unter ganz anderen finanziellen Möglichkeiten als in Graz. Gleichzeitig wartet ein unruhiges Umfeld. Ilzer ist seit dem Abgang von Julian Nagelsmann im Sommer 2019 bereits der fünfte TSG-Trainer. Pellegrino Matarazzo gelang es zuletzt nicht, den Tabellen-15. zu stabilisieren.
Ilzers Nachfolger kann eine neue Note in einen eingespielten und talentierten Bundesliga-Leader einbringen. Er wird mit dem teuersten Sturm-Kader aller Zeiten auch dem Erfolg verpflichtet sein. Die Ansprüche sind in allen Bereichen rasant gestiegen – der Sturm-Anhänger 2024 ist siegesverwöhnt. Es obliegt nun dem Vorstand um Präsident Christian Jauk und seinen Vertrauten – großteils Personen ohne sportliche Kernkompetenz – die vakanten Positionen des Sportchefs und Trainers entsprechend nachzubesetzen. Es wird sich zeigen, wie gut der Doublesieger den enormen Braindrain verkraften kann.