Anne Applebaum warnt vor russischem Einfluss in Österreich

Anne Applebaum sprach in Wien © APA/dpa/Boris Roessler

Im Rahmen einer Tournee hat die US-amerikanische Autorin Anne Applebaum ihr neuestes Buch „Die Achse der Autokraten“ am Sonntag im ausverkauften Akademietheater in Wien präsentiert. Die kürzlich mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnete Osteuropaexpertin prognostizierte, dass es Frieden in der Ukraine erst nach einem Umdenken in Moskau geben würde. Eine ukrainische Niederlage könnte auch massive Auswirkungen für Österreich haben, sagte sie danach der APA.

Bevor sich das Gespräch am Sonntagvormittag um wirtschaftliche, politische und militärische Netzwerke zeitgenössischer Autokratien drehte, befragte Moderatorin Cathrin Kahlweit die prominente öffentliche Intellektuelle zunächst zum Sieg von Donald Trump bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Unter anderem hätte ein frauenfeindliches Element in Trumps Kampagne eine Rolle gespielt, sagte die US-Amerikanerin, die mit dem polnischen Außenminister Radek Sikorski verheiratet und auch polnische Staatsbürgerin ist.

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Sie sprach aber auch von Fehlern der Demokraten während ihres Wahlkampfs sowie in den vergangenen vier Jahren. Es sei nicht gelungen zu erklären, was erreicht worden sei. „Sowohl in den USA als auch in den meisten europäischen Ländern gibt es nunmehr sehr unterschiedliche Welten, in denen Menschen lebten“, erklärte sie. So habe es eine mediale Welt gegeben, in denen die Errungenschaften des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden etwa in der Industriepolitik nicht registriert worden seien.

Als Novum für die USA bezeichnete die Autorin die aktuelle Rolle des Tech-Unternehmers und X-Besitzers Elon Musk. Zwar habe es immer reiche Menschen in der Politik gegeben, die mit Präsidenten befreundet gewesen seien, und auch einflussreiche Lobbyisten. Neu sei aber, dass Musk in einer Kommission Vorschläge an die Regierung machen soll und diese Vorschläge seinen Unternehmen nützen könnte, die er trotz seiner Tätigkeit für die Regierung weiterhin kontrollieren dürfte. In Bezug auf die Plattform „X“ (vormals Twitter) sprach sie von zunehmenden Belegen, dass im US-Wahlkampf Algorithmen dieses sozialen Mediums dafür genutzt worden seien, gewisse Ideen zu unterstützen. „Wenn das in US-Wahlen passiert, kann das auch bei anderen Wahlen passieren. Elon Musk hat damit gedroht, das bei Wahlen in Kanada zu machen“, erzählte die Autorin. Wenn Musk wollte, könnte er auch Wahlen in Österreich drehen, meinte sie.

Explizit lehnte es Applebaum ab, in Bezug auf Trump „faschistisch“ zu verwenden. Ungeachtet, ob er in diese Kategorie falle oder nicht, sei es nicht nützlich auf diesen Begriff zu verweisen, weil er vor allem Erinnerungen an Filme über das Dritte Reich wecke. „Das ist aber nicht die Art von Gefahr, die von ihm ausgeht, da habe ich keine Sorgen“, sagte sie. Demokratien scheiterten üblicherweise nicht wegen eines Militärputsches oder wegen Braunhemden auf den Straßen, sondern weil eine demokratisch legimitierte Regierung und ein gewählter Anführer beginnen, ihre Macht dafür zu verwenden, staatliche Institutionen in einer Weise umbauen, die ihnen politisch nützen. In den USA sei etwa das Justizministerium bedroht, in Polen unter der vergangen Regierung das Höchstgericht, in Ungarn die von Premierminister Viktor Orbán wiederholt veränderte Verfassung.

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Ausführlich sprach die Autorin über die Gefahr für liberale Demokratien, die von einem Netzwerk von ideologisch sehr unterschiedlichen Autokratien ausgehe. Das kommunistische China, das nationalistische Russland, der theokratische Iran, das bolivarische Venezuela oder Nordkorea einten weder Sprache noch gemeinsame Ziele. Verbindend sei lediglich, dass diese Staaten von Herrschern geführt werden, die nicht durch unabhängige Gerichte, Medien und Opposition kontrolliert würden. Die liberale Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit sähen sie dabei jeweils als Bedrohung. Neu sei, dass diese Führer ihren jeweiligen Reichtum auch öffentlich zur Schau stellten, sowie dass diese unterschiedlichen Regime in wirtschaftlichen, medialen und auch militärischen Fragen eng miteinander kooperierten. Konkret verwies Applebaum auf die Verwendung von iranischen Drohnen und nordkoreanischen Artilleriegeschossen sowie zuletzt auch Soldaten im russischen Krieg gegen die Ukraine.

In Bezug auf ein baldiges Kriegsende in der Ukraine zeigte sich die US-Amerikanerin pessimistisch. Dieser Krieg könne wie andere Kolonialkriege erst nach einem Umdenken in Moskau zu Ende gehen. Applebaum verwies dabei auf Frankreichs Algerienkrieg. Dieser sei beendet worden, nachdem die Franzosen erklärt hatten, nicht weiter kämpfen zu wollen. „Diese Augenblick haben wir in Moskau noch nicht erreicht“, betonte sie. Dabei habe Russland Milliarden von Dollar für die Eroberung der halben Region Cherson sowie von ein paar Städten in der Region Donezk ausgeben. Und laut Schätzungen seien seit 2022 bereits 700.000 russische Soldaten gefallen oder verwundet worden.

Eindringlich forderte Applebaum zur weiteren Unterstützung der Ukraine auf. „Die Europäer sollten verstehen, dass sie im Fall eines Kollabierens der Ukraine und einer pro-russischen Regierung in Kiew kein Geld sparen würden“, erklärte sie. Das würde nicht billiger sein und auch unsicherer. Wenn der Krieg mit einem russischen Sieg enden sollte, würde man in einer gefährlicheren Welt leben, sagte sie.

Der russische Präsident Wladimir Putin sei als Offizier des sowjetischen Imperiums in Ostdeutschland stationiert gewesen, und er habe klargemacht, dass alles, was einst aus Moskau kontrolliert wurde, erneut von dort kontrolliert werden könnte, sagte die Autorin anschließend gegenüber der APA. „Es ist sehr wichtig, dass wir ihn ernst nehmen“, erklärte sie und betonte gleichzeitig, eine russische Besetzung der Ukraine nicht zu erwarten. Aber alleine der Versuch, das sowjetische Imperium in Osteuropa wieder zu errichten, könnte für viel Schaden sorgen.

„Russland spielt wahrscheinlich bereits eine größere Rolle in der österreichischen Politik und bei Wahlen, als Sie wissen: Die Russen haben Informationsoperationen und verwenden Geld, um die politische und wirtschaftliche Atmosphäre zu gestalten“, sagte Applebaum, die gleichzeitig jedoch unterstrich, keine Österreich-Expertin zu sein. Letztlich könnte es um die Frage gehen, ob Österreich ein souveräner Staat bleibe und Österreicher über die Zukunft des Landes entscheiden, oder ob Russland und andere Mächte relevante Entscheidungen fällten.

Anne Applebaum: „Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten“, Siedler Verlag, 208 Seiten, 26 Euro