Strauss-Jahr 2025: Neue Schau zeigt den Schani einmal anders

Johann Strauss aus „Dr. Otto Böhlers Schattenbilder“ © APA/KHM-Museumsverband

Schon von Weitem kann man den Schatten vom „Schani“ in einem Bild des Silhouettenkünstlers Otto Böhler auf der Fassade des Theatermuseums erkennen. „Johann Strauss – Die Ausstellung“ soll den neurotischen Walzerkönig Johann Strauss von einer anderen Seite zeigen. „Das leicht Süßliche, das Johann Strauss zugeschrieben wird, wird an mehreren Stellen durchbrochen“, so die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) bei der Pressekonferenz am Montagvormittag.

Während man in der neuen Strauss-Schau „New Dimensions“ am Wiener Naschmarkt auf „immersives“ Art & Tech setzt und im House of Strauss mit dem „letzten existierenden Konzertsaal, in dem alle vier Strauss-Genies aufgetreten sind“ nach Döbling locken will, so zeichnet sich die neue Ausstellung in den barocken Prunkräumen des Palais Lobkowitz mit über 300 Exponaten dadurch aus, „dass wir Originale zeigen“, sagte Thomas Aigner, ehemaliger Leiter der Musiksammlung und stellvertretender Direktor der Wienbibliothek im Rathaus.

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„Glücklich ist, wer vergißt!“

Mit einem solchen Original und „Prunkstück“ eröffnet die Jubiläumsausstellung, die er gemeinsam mit Karin Neuwirth vom Theatermuseum kuratiert hat, dann auch: mit der „Fledermaus“. Die Ouvertüre kann man dabei im Hintergrund hören. „Nicht nur Wien, sondern die ganze Welt beendet das alte Jahr mit der Fledermaus und beginnt das neue mit dem Neujahrskonzert“, so der Direktor des Theatermuseums Franz Pichorner. „Dieser Dramaturgie folgt auch diese Ausstellung in acht Räumen.“

Die Original-Partitur von Strauss‘ dritter Operette, eine Mischung aus Schadenfreude, erotischen Verwechslungen und prächtigen Arien, half den von der Wirtschaftskrise geknickten Wienern und Wienerinnen wieder auf die Tanzbeine. Schließlich lautet das Motto „Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist!“. Die Partitur ist nicht nur das wertvollste Objekt in dieser Schau. „Sie ist das wertvollste Einzelobjekt der Wienbibliothek“, betonte der Musikwissenschafter Aigner.

Die „Firma Strauss“

Fraglich ist, ob der Walzerkönig sich je an das Genre der Operette gewagt hätte, wenn seine erste Ehefrau, die bekannte Mezzosopranistin Jetty Treffz, ihn nicht dazu überredet hätte. Dem Familienunternehmen, der „Firma Strauss“, und dem Privatmenschen Johann, sind nicht nur zwei Räume hier gewidmet, sondern auch zwei Kapitel in der neuen Begleitpublikation „Johann Strauss – Ein Leben für die Musik“ (erscheint am 3. Dezember), herausgegeben im Residenz Verlag von Thomas Aigner, Stefan Engl und Kyra Waldner. „Es zeigt sich, dass diese wissenschaftliche Arbeit, die mit einer sinnlichen Aufladung angetan ist, tief in diese erste Star-Familie eintaucht“, so Kaup-Hasler. „Eine Familie, die als Geschäftsmodell sehr erfolgreich war und ein Bild in die Welt von Österreich getragen hat, von dem das Land bis heute profitiert.“

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Denn, und das wird hier vermittelt, Johann Strauss war nicht nur ein talentierter Musiker, er war auch ein Top-Organisator. Er setzte seine Brüder Josef und Eduard wie seine Angestellten bei Dirigaten und Orchesterarrangements ein. Seine Mutter Anna kümmerte sich um die organisatorische Seite der „Firma Strauss“, und auch alle drei Ehefrauen, die hier im Einzelnen behandelt werden, managten den Musiker. Ihnen gewidmete Werke wie der „Kuss-Walzer“ und persönliche Gegenstände werden ebenso gezeigt wie das erstmals öffentlich ausgestellte originale Trauungsbuch aus dem Stephansdom und dessen Fälschung. Der Urgroßvater von Johann Strauss war nämlich getaufter Jude, was die Nazis durch eine Urkundenfälschung zu vertuschen versuchten. Eine zu große Blamage wäre es für Goebbels gewesen, wenn die Wahrheit über den „ach so deutschen“ Publikumsliebling an die Öffentlichkeit gelangt wäre.

Heiße Liebesschwüre und „Füßebeflügler“

„Olga, mein geliebtes Kind, mein Engel, mein Alles, wie glücklich bin ich! […] Nie empfand ich so lebhaft als heute, was Du für mich bist, wie ich Dich liebe, dass ich mich von Dir nicht mehr trennen kann.“ Johann Strauss schrieb 100 Liebesbriefe an die Aristokratin Olga Smirnitskaja, die inniger nicht sein könnten. Aber die Beziehung war zum Scheitern verurteilt. Johann war nicht gut genug für die Mutter seiner Geliebten. In dieser Zeit schrieb Strauss „die schwärzesten Briefe seines Lebens“, erzählte Aigner, der die lange verschollen geglaubten Briefe 1993 wiederentdeckte. „Er schreibt von Selbstmordgedanken. Er schreibt: ‚in einen Turm wird man mich sperren, um zu verenden wie ein Tier!‘. Das sind Dinge, die das Innerste von Strauss freigeben wie kaum sonst etwas.“

Melodisch genial begabt, selbst aber kein Tänzer, gelang dem „Füßebeflügler“ der Übergang vom Tanz- zum Konzertwalzer. In der Schau finden sich auch Klavier-Erstausgaben zu seinen Werken „Künstler-Leben“ und „Unter Donner und Blitz“, Figurinen von Ballkleidern und der Walzer „An der schönen blauen Donau“ ist durch eine seltene Erstausgabe der Wienbibliothek im Rathaus vertreten. Seine „Reisen“ werden ebenso behandelt wie seine Operetten mit originalen Gesangsnummern auf einer Hörinsel. Und auch wenn die Wiener Philharmoniker dem Schani und seiner so wienerischen Unterhaltungsmusik nicht von Anfang an zugetan waren, so ist der Ausklang dieser wissenschaftlich profunden Schau dem Exportschlager Österreichs schlechthin gewidmet: dem Neujahrskonzert.

„Johann Strauss – Die Ausstellung“ im Theatermuseum, Wien 1, Lobkowitzplatz 2, 4. Dezember 2024 bis 23. Juni 2025, täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr. Publikation: „Johann Strauss – Ein Leben für die Musik“. Hg. von Thomas Aigner, Stefan Engl und Kyra Waldner, Residenz Verlag, 304 Seiten, 30,00 Euro, ISBN: 9783701736270; theatermuseum.at