Unter einem geschmückten Weihnachtsbaum stapeln sich die Geschenke. Überall brennen Kerzen. Und um Kapitän Hendrik Wilkens (Matthias Freihof) versammelt sich seine Großfamilie. Nur die bedrohliche Musik lässt erahnen, dass es mit der Weihnachtsidylle im Reetdachhaus bald vorbei sein wird: Am nächsten Morgen liegt der Kapitän in einer Blutlache in seinem Arbeitszimmer. Der Bremer „Tatort“ namens „Stille Nacht“ ist am Sonntag (8. Dezember) um 20.15 Uhr auf ORF 2 zu sehen.
Die beiden Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) machen sich selbst wenig aus Weihnachten und stürzen sich im neuen „Tatort“ dankbar in die Ermittlungen. Die Folge „Stille Nacht“ ist weniger Krimi, mehr Familiendrama mit einem Ohrwurm von „Last Christmas“.
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Rätselraten im Reetdachhaus
Mit eben jenem Lied beginnt das Rätselraten, immer wieder von vorn: Wer hat den Kapitän erschossen? Die Ermittlerinnen spielen mehrere mögliche Szenarien durch, dabei wechseln Realität und Vision vom Tathergang. Störte der Kapitän Einbrecher? War es ein Mord aus Eifersucht? Oder ist am Ende der philippinische Matrose schuld, den die Familie über die Feiertage bei sich aufgenommen hat?
Schnell wird klar: Der Täter oder die Täterin hat mit dem Familienvater wenige Stunden zuvor noch unter dem Weihnachtsbaum gesessen. Ein bisschen wie bei Agatha Christie begrenzt sich der Schauplatz nun nahezu auf das Reetdachhaus. Ein Bedrohungsszenario von außen fällt damit weg – also doch ein Konflikt in der Familie? „Dieses ganze Hei Ti Tei von wegen: Wir haben uns alle so lieb. Keiner hatte je ein Problem miteinander. Das klingt doch wie frisch aus der Margarinewerbung“, spottet Kommissarin Selb.
Der „Tatort“ als Weihnachtsfilm
Und tatsächlich bekommt die heile Welt Risse: Die Tochter hat mit der Tradition der Seefahrerfamilie gebrochen, der Verlust der an Krebs gestorbenen Mutter scheint nicht überwunden und der Alltag der Patchwork-Familie mit zwei Vätern lief auch nicht immer reibungslos. „Weihnachten inklusive Familiendrama – eigentlich wie bei allen Familien, nur das bei den meisten hoffentlich keiner erschossen wird“, fasst es Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer zusammen.
Mit schwierigen Familien kennen sich die beiden Kommissarinnen aus eigener Erfahrung nur zu gut aus. Routiniert und ohne viele Worte erledigen sie ihre Arbeit, bei der sie künftig von der erfahrenen Rechtsmedizinerin Edda Bingley (Helen Schneider) unterstützt werden. Überraschend ist eher, dass die trockene Linda Selb aus sich herauskommt und das Fest der Liebe gar nicht so übel findet. Denn am Ende ist „Stille Nacht“ vor allem ein Weihnachtsfilm.