„Mobbing“, „Bossing“ und in mehreren Fällen sexuelle Belästigung – so die anonym erhobenen Vorwürfe einer gerichtlichen Klärung standhielten: Die am Freitag veröffentlichte Executive Summary des Endberichts der Kanzlei Dorda über Vorgänge im Theater in der Josefstadt zeigt zahlreiche Missstände am Haus auf. Der Stiftungsvorstand kündigte Konsequenzen und konkrete Maßnahmen für einen „Kulturwandel“ an, Direktor Herbert Föttinger würde eine gerichtliche Klärung begrüßen.
Der Untersuchungsbericht führt zahlreiche konkrete Vorwürfe gegen Föttinger, weitere Regisseure und einen Schauspieler sowie strukturelles Versagen der Theaterleitung im Umgang mit Missständen auf. Da „die Betroffenen ausdrücklich anonym bleiben wollten“, werden in der zugänglich gemachten Zusammenfassung die erhobenen Vorwürfe nicht weiter konkretisiert. Föttinger selbst wird „übergriffiges, beleidigendes und herabwürdigendes Verhalten gegenüber Schauspielern und Mitarbeitern, die bei den Proben unmittelbar mitwirken“, vorgeworfen. Konkreter werden die Vorwürfe in einem der APA vorliegenden Rechtsgutachten der Arbeitsrechtlerin Michaela Windischgrätz ausgeführt.
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Föttinger wünscht sich gerichtliche Klärung
Föttinger, der noch eineinhalb Jahre im Amt ist, unterstrich im APA-Gespräch: „Bei den Übergriffen, die man hier aus dem Kontext reißt, möchte ich sagen: Das hat in der Form nie stattgefunden“, so Föttinger, der einräumt: „In einem Probenprozess kann schon mal passieren, dass sich ein Schauspieler beleidigt fühlt. Denn es ist schon ein mühsamer Weg zum Ziel, da kann jeder kleinste Satz Unglaubliches auslösen.“ Gegenüber der „anonymen Menge von 18 Leuten“ könne er sich aber nicht adäquat wehren. „Ich stehe hier Anschuldigen gegenüber, wo ich felsenfest überzeugt bin, dass es so, wie es geschrieben ist, nicht war. Ich würde es sofort begrüßen, wenn man das vor Gericht klären würde.“
Die Empfehlungen des Berichts zielen unterdessen „auf einen erforderlichen Kulturwandel im Theater in der Josefstadt“ ab. Nachsatz: „Zu hinterfragen ist, ob ein Kulturwandel durch die bestehende Direktion erfolgen wird (können).“ So wird konkret betont, dass die ab der Saison 2026/27 antretende Nachfolgerin Marie Rötzer, jetzige Chefin des Landestheaters Niederösterreich, den Maßnahmen besonderes Augenmerk schenken solle. Zudem soll dem künftigen kaufmännischen Geschäftsführer Stefan Mehrens „ehestmöglich Prokura erteilt“ werden, um die empfohlenen Change-Management-Maßnahmen „unverzüglich auf allen Ebenen des Theaters umzusetzen“. Personalentscheidungen setzen ab sofort das „Einvernehmen mit der designierten neuen Direktion“ voraus. Bei künftigen Produktionen soll künftig besonders auf den Verhaltenskodex und eine Liste von Vertrauenspersonen verwiesen und regelmäßige Reflexions-Sitzungen abgehalten werden.
Rötzer will „Kulturwandel“ mittragen
Rötzer will den „Kulturwandel“ mittragen, wie sie der APA gegenüber betonte. Sie wolle sich „besonders für eine Arbeitsatmosphäre einsetzen, in der jede*r angstfrei und entspannt arbeiten kann“. Die Zeiten, in denen schlechtes Benehmen, Grenzüberschreitungen und Übergriffigkeiten mit Geniekult und Freiheit der Kunst entschuldigt wurden, seien vorbei. „Ich bin der festen Überzeugung, dass große Theaterkunst innerhalb eines zeitgemäßen Wertekanons stattfinden kann.“
„Die Stellungnahmen unserer Mandant:innen haben vielfache Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch aufgezeigt, die im 21. Jahrhundert an einem von der öffentlichen Hand geförderten Haus keinen Raum mehr haben sollten“, heißt es seitens des Betroffenenanwalts Wolfgang Renzl (ParLaw) gegenüber der APA. „Es ist Zeit, derartige anachronistische Zustände auf den Bühnen abzustellen. Kunst soll nicht auf Kosten von Kultur produziert werden.“
Kogler: „Kein Ruhmesblatt für aktuelle Direktion“
Von den Ergebnissen „erschüttert“ zeigte sich Thomas Drozda, Vorstand der „Theater in der Josefstadt – Privatstiftung“, im APA-Gespräch. „Das Thema Transparenz und Aufklärung war von Anfang an die Richtschnur unseres Handelns“, beteuert Drozda. „Deswegen hat es eine monatelange forensische Untersuchung gegeben, um ein repräsentatives Bild zu erhalten. Dieses repräsentative Bild gibt es nun.“ Ein Bild, das Kulturminister Werner Kogler (Grüne) in einer ersten Reaktion als „kein Ruhmesblatt für die aktuelle Direktion“ bezeichnete. Umso wichtiger sei aus Sicht als Fördergeber, „dass die vorgeschlagenen Maßnahmen im Sinne aller Betroffenen unverzüglich umgesetzt werden.“
Für Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) sei es „entscheidend, dass der Stiftungsvorstand seiner Verantwortung nachkommt und mit den Maßnahmen, die aus dem Endbericht resultieren und heute präsentiert wurden, einen nachhaltigen Change-Management-Prozess einleitet“. Seitens der FPÖ kam die Forderung nach „sofortiger Dienstfreistellung“ Föttingers.
Die Executive Summary steht unter ➡️ Weitere Informationen zum Download bereit.