Gerhard Richter, geboren 1932 in Dresden, ist über die Kunstszene hinaus populär. Immer wieder macht er Schlagzeilen damit, dass seine Gemälde auf Auktionen Höchstpreise erzielen. Erst im September nahmen alle Kulturseiten zur Kenntnis, dass der 88-Jährige erklärt hat, er wolle nun den Pinsel niederlegen.
Das Alter hinderte ihn auch, zu der bemerkenswerten Großausstellung zu kommen, die das Kunstforum Wien (in fünfjähriger Vorbereitungszeit) für ihn ausgerichtet und ausschließlich seinen Landschaften gewidmet hat. Aber Richter wird auch ohne sein persönliches Auftreten mit seinem Werk stets präsent sein, wo immer man es zeigt.
„Landschaft“ ist in der Kunstgeschichte ein großes Thema mit vielen Facetten, und die Wiener Ausstellung mit ihren gut 130 Werken zeigt, dass Gerhard Richter sich ihm von allen Seiten genähert hat. Ohne Scheu nimmt er auch auf die verschwimmenden Konturen eines Caspar David Friedrich Bezug, und er scheut sich nicht, die klassischen Themen-Versatzstücke Wasser, Himmel, Wolken, Horizont, Berge, Wald ins Auge zu fassen. Dabei hat Richter nie „nach der Natur“ gemalt (jene „Plein Air“-Malerei, die im 19. Jahrhundert vielfach verpflichtend war): Er malte nach eigenen Fotos und nach fremden Vorlagen, die er oft auch nur „übermalt“ hat, so dass sie wie künstlerische Kommentare zu vorgegebenen Themen wirken.
Landschaften als Abstraktion
Darüber hinaus gehen seine Landschaftsbilder in die totale Verfremdung über, so dass man nur beim näheren Hintreten erkennen mag, was beabsichtigt war — ein Luftansicht-Foto einer Stadt, übermalt, macht dann klar, wie weit Richter die „Landschaftsmalerei“ treibt, desgleichen in Gemälden, die man nur mehr als Abstraktion empfindet, bis man vom Titel des Bildes (beispielsweise „Dschungelbild“) dazu gebracht wird, unter den braunen, beigen, weißen Strichen dann die Lianen, das Dickicht und einen Lichtfleck zu erkennen …
Von Eindrücken in den Alpen bis zu umgestalteten Fotos aus Ägypten hat „Landschaft“ Gerhard Richter immer gereizt, und die Wiener Ausstellung nimmt auch sein Monumentalgemälde „St. Gallen“ (ein 6,8 Meter breites Triptychon) hier herein: Scheinbar ein gänzlich abstraktes Spiel von Farben und Linien, ahnt man doch beim Nähertreten hier Wasser, hier Bäume … Aber ist moderne Kunst nicht immer Herausforderung an den Betrachter?
Bis 14. Februar 2021, Öffnungszeiten: täglich 10 bis 19 Uhr, freitags bis 21 Uhr