„Filme fressen mich manchmal mit Haut und Haar“

Florian Teichtmeister über den Tourismus in Salzburg, die Möglichkeit des Jedermanns und Rilke

Seit 2016 ist Florian Teichtmeister als Peter Palfinger in „Die Toten von Salzburg“zu sehen.
Seit 2016 ist Florian Teichtmeister als Peter Palfinger in „Die Toten von Salzburg“zu sehen. © ORF/Satel Film/Toni Muhr

In „Die Toten von Salzburg“ ermittelt Florian Teichtmeister (41) im Rollstuhl, auf Theaterbühnen ist er in den großen Rollen zu sehen und auf den „Jedermann“ trinkt er die eine oder andere Flasche Wein.

VOLKSBLATT: In Ihrem beruflichen Lebenslauf überwiegen die Theaterrollen im Vergleich zu den Film- und Fernsehprojekten. Wofür schlägt denn Ihr Herz am lautesten?

FLORIAN TEICHTMEISTER: Die Frage ist so schön formuliert, dass ich versuche, eine Antwort zu finden. Normalerweise würde ich sagen, da gibt es gar keine Antwort. Aber eine Analogie verwende ich immer wieder: Es ist wie Slalom- und Abfahrtfahren. Es ist derselbe Sport, aber es gibt Menschen, die die Kombinationswettbewerbe im Auge haben und in beiden schnell sein wollen. Ich habe das Gefühl, dass das Theater durch den Ensemblegedanken, durch das tägliche Für-das-Theater-leben und -erreichbar-sein-wollen — und vertraglich auch müssen, tiefer in den Alltag eindringt. Dafür fressen Filme mich manchmal mit Haut und Haar auf, weil ich weiß, dass es nur für eine begrenzte Zeit hineingeht in diese Welt. Danach ist es aber auch mit einem Schlag vorbei. Viele Kollegen sagen, sie fallen da in ein Loch. Ich habe das nicht, weil ich vielleicht das Theater habe.

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Bei Salzburg zu dieser Jahreszeit denkt man unweigerlich an den „Jedermann“. Würde Sie der reizen?

Zwangsläufig! Das ist die ehrlichste und zugleich frechste Antwort. Was ich sagen kann, ist, dass ich auf einer sehr leichten und humorvollen Ebene beschlossen habe, hin und wieder mit Leuten zu wetten, die mir ganz sicher sagen, dass es soweit sei. Diese Flaschen Wein trinke ich besonders gerne, die ich da gewinne (lacht). Es ist niemals so, dass ich Lust habe, mir Hoffnung zu machen, weil es dazu führen könnte, dass es eine Enttäuschung wird. Dazu finde ich diese Institution zu interessant und zu bedeutend, als dass ich sie ein Leben lang mit einer Enttäuschung verbinden will. Ich will mir das nicht beschädigen, sollte ich nicht in Betracht gezogen werden.

Mit einer Selbstverständlichkeit wird in „Die Toten von Salzburg“ die körperliche Beeinträchtigung Ihrer Figur Peter Palfinger erzählt. War es für Sie wichtig, dass es kein „Problemfilm“ ist?

Absolut! Das Drehbuch, das ich bekommen habe, war auch genau schon so. Da war nichts drinnen, wo sich mir die Nackenhaare aufgestellt hätten. Es gibt ein, zwei Dinge, auf die ich großen Wert lege. Das eine ist, dass es nicht um das Überwinden der Tatsache geht, dass da ein Polizist im Rollstuhl ist. Also, dass das plötzlich vorbei ist. Davor hätte ich zurückgescheut. Aber ich habe keine Sorge, dass die Geschichte irgendwann verkauft wird an die große Headline.

Wie herausfordernd ist es, im Rollstuhl zu spielen, wo doch der Körper das Instrument eines Schauspielers ist, und man plötzlich auf einen Teil davon verzichten muss?

Ich habe das Gefühl, dass es das Gegenteil von Verzicht ist. Es ist überhaupt nicht so, dass ich mich zwingen müsste, einen Teil von mir zu vergessen, zu betäuben oder zu lähmen. Es gibt bei dieser Figur einfach keinen Moment, wo sich ein Fuß bewegt. Außer ich nehme ihn in die Hand und gebe ihn wohin. Und diese Tatsache bedeutet alles. Ich habe mich am Anfang lange damit beschäftigt, welche tatsächlichen körperlichen Unterschiede es gibt in Bewegungen im Oberkörper. Da sind auch Unterschiede, die das Kennerauge sieht. Aber das ist nicht das Problem, wenn der Rest mit Respekt und Selbstverständlichkeit funktioniert.

Haben Sie zu Beginn der Serie mit Rollstuhlfahrern trainiert? Es geht oft um scheinbare Kleinigkeiten, wie jedes Mal einen Sessel beiseiteschieben zu müssen, weil einfach kein Platz für einen Rollstuhlfahrer mitgedacht wird.

Das ist schön, dass Sie das sehen. Es ist eben keine Kleinigkeit, wenn Sie mich jetzt drauf ansprechen, und es Ihnen auffällt. Für einen Rollstuhlfahrer lässt man eben selten einen Platz frei und das Selber-Wegschieben eines Stuhls … das der Herr Palfinger ja manchmal auch rüde macht … das ist der Alltag. Daraus nicht jedes Mal ein Drama zu machen und gleichzeitig zu wissen, rein statistisch ist es ja auch verständlich … Wenn es natürlich jedes Mal in dem Besprechungsraum, wo ich als Polizist bin, ist, fragt man sich: Soll man jetzt ‚mal ‚was sagen? Vielleicht reicht es Herrn Paflinger ja auch einmal, und er schmeißt den Stuhl aus dem Fenster.

Denken Sie, dass ein komödiantischer Zugang ein guter Weg ist, die Geschichte eines Rollstuhlfahrers zu erzählen?

Ich glaube, es ist ein mutiger Weg. Ich kann gar nicht darüber nachdenken, wie es anders erzählt werden könnte. Alles, woran ich denke, würde sofort zum Klischee werden. Manchmal ist es so, dass das Erzählen dann Freude macht, wenn die große Tragweite, die in der Realität alles an Humor ersticken würde, in der Fiktion zu überwinden ist. Man kann nicht nur entweder traurig oder lustig sein. Man kann schon auch traurig sein und dennoch lachen.

Ihre Figur ist — auch wenn sie ‚mal die Contenance verliert — sehr sympathisch. Spielen Sie gerne den netten Kerl oder doch ab und zu mal lieber den geheimnisvollen Bösewicht?

Der Bösewicht ist natürlich die Rolle, die Freude macht. Ich höre mir zu und das klingt total pervers (lacht). Wie Darth Vader bei „Star Wars“ … Ich glaube, da wussten die Darsteller auch nicht, dass er am Ende der Vater des Menschen ist, den er die ganze Zeit umbringen will. Da denk ich mir, da darf ich nicht besonders beleidigt sein, wenn man mir nicht jetzt schon erzählt, wie der übernächste Film von „Die Toten von Salzburg“ ausschaut.

Ob Sie vielleicht doch noch zum Bösewicht mutieren …

Naja, ein bisschen was davon will ich als Palfinger ja auch sein. Also, der Palfinger will es sein. Je älter ich werde, desto mehr denke ich: So richtig böse wird man nicht mehr. Vielleicht ist man irgendwann damit durch, und man ist nur noch grantig (lacht).

Thema bei der aktuellen Folge ist der, naja, „spezielle“ Tourismus in Salzburg. Wie funktionieren die Dreharbeiten in einer in „normalen“ Zeiten so „vollen“ Stadt wie Salzburg?

Das ist tatsächlich ein Zaubertrick, den ich selbst nicht ganz durchschaue. Von Stadtseite bis zur Organisation unserer Produktion — das ist so perfekt vorbereitet, dass es tatsächlich keinen Moment gibt, wo ich einmal meine Ruhe habe (lacht). Aber Leute im Hintergrund sind beim Film immer gut.

Sie bekommen schon heftig mit, was rundherum passiert?

Ich finde das toll! Ich habe immer das Gefühl, dass Leute Freude haben, zu sehen, wie das funktioniert. Ich fühle mich auch nie genervt. Ich werde auch nicht genervt, die Menschen sind auch nicht rücksichtslos zu mir. Ich bin vielleicht manchmal zu verführt, ein Wörtchen mehr zu plaudern mit Menschen, die das interessiert.

Brauchen Sie dann Urlaub in der Stille?

Stille ist immer schön nach einem Dreh, weil da ist im besten Sinne 16 Stunden Betrieb, also offiziell 12. Und ich bin schon auch ein Städtetourist, ich möchte schon viel sehen von der Welt, aber nicht immer Leute.

Ein Thema, um das man nicht herumkommt: Corona. Wie haben Sie die Pandemie durchgestanden?

Es war sehr lehrreich. Ich kann, wohl berufsbedingt gut nachvollziehen, wie das Verhalten von Menschen sich verändert. Jetzt gab es viele Dinge, die ich nicht mehr nachvollziehen konnte. Das hat mich am meisten beschäftigt. Jetzt hat aber Rilke geschrieben: „Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest!“ Also war die größte Lehre wohl, mittendrin aufzuhören, es verstehen zu wollen. Es gab auch privat einige existenzielle Dinge durchzustehen, dagegen war der Streit, ob jetzt irgendetwas zwei Wochen länger oder kürzer verboten oder erlaubt ist, manchmal blasser. Das hat mich auch vor der Langeweile bewahrt. Und gearbeitet habe ich viel. Wir haben am Burgtheater „Zdeněk Adamec“ mit Frank Castorf geprobt. Das war einer der interessantesten, schönsten Probemonate. Dann war der „Sisi-Film“, „Bunbury“ wurde noch fertig geprobt, im Herbst darf ich mit einer ganz tollen Komödie anfangen, mit „Der Selbstmörder“. Ich habe beim Lesen schon schallend lachen müssen. „Peer Gynt“ wäre so schön gewesen, das war zu Beginn der Pandemie. Da ist mir sehr leid drum.

Mit FLORIAN TEICHTMEISTER sprach Mariella Moshammer