„Wissen allein genügt heute nicht. Wir brauchen auch Weisheit, die Weisheit der Jungen.“ Wahres Wort. „Die Jungen sind von den eingefahrenen Meinungsbildnern der jetzigen Welt noch nicht so stark beeinflusst.“
Spricht die Linzer Kultur-Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer von den viel zitierten alten weißen Männern? Brigitte Hütter, Rektorin der Kunstuniversität Linz, benennt noch einmal konkret: Gerade in Zeiten der Pandemie äußerten sich „Narzissten und Egoisten“ lautstark.
Wie wohltuend hingegen die aktuelle Ausstellung in der Kunstuni, am Dienstag parallel zu den ersten Eröffnungen des Festivals Ars Electronica in Linz gestartet: „Loops of Wisdom“ (Schleifen der Weisheit) greift spielerisch, nachdenklich und herausfordernd Technologien, Meinungsmuster und andere Verkrustungen auf. Erschafft Neues, verschönert das Leben, pocht auf menschliche Werte: Respekt.
Pandemie & Kaffeesud
Ein Rundgang, wie am Dienstag mit versammelter Pressemeute geschehen, könnte im Westflügel der Kunstuni beginnen. Dort befindet sich der beinahe putzige, einige wohl auch beengende Hörsaal E. Ein architektonisches Relikt, von Studierenden fantasievoll belebt. „2m“ (Zwei Meter), eine Visualisierung und Klanginstallation des US-Amerikaners Kevin Blackstone, der sich auch von räumlicher Beengtheit in der Pandemie inspirieren ließ.
In einem Lichtkreis mit titelgebendem Durchmesser können sich Menschen bewegen, tanzen. Die Frage der zwischenmenschlichen Distanz, die Bewegungsmuster übersetzt in Klänge. Oder das hochwitzige „Futurefalsepositive“ (Zukunft falsch richtig) von Kristina Tica: Die Südafrikanerin greift die Tradition des Kaffeesudlesens in der Türkei (aber nicht nur hier) auf und lässt sogenannte Künstliche Intelligenz (AI) Muster in eben jenem Kaffeesud interpretieren.
Die Resultate sind nicht weniger haarsträubend als etwa pandemisch bedingte esoterische Ausritte. Gar nicht esoterisch, sondern beglückend der „Private Garden“ der Chinesin Qian Xu. Wie sie erzählt, sei in der Pandemie das Bett zum Lebenmittelpunkt geworden. Den geliebten Garten hat sie mittels interaktiver Technologie, samt lernenden Algorithmen, als betörende Projektion quasi mit ins Bett genommen.
Nur der Anfang einer Ausstellung, die einen sodann über den Hauptplatz in die „Strafsachengalerie“ (vormals „Raumschiff“) führen könnte. Die Züricher Hochschule der Künste hat sich dort heuer wieder eingenistet. Kommunikation mit Moosen (als Gegenentwurf zur aufreibenden Jetzt-sofort-Kommunikation im Menschenalltag), die Bedeutung von Land und Boden nach Umweltzerstörungen in Hongkong oder Kambodscha oder eine Verbesserung des Schweizer Demokratiemodells (votetandem.org) harren der Besucher.
Insgesamt mehr als 100 Ausstellungsobjekte sind in der Kunstuni zu entdecken, 190 Künstler und Wissenschaftler sind daran beteiligt. Ein empfehlenswerter Knotenpunkt der schönen Innenhof vor der Kunstuni (West), wo die Studierenden eine „Akademie der Gedanken“ errichtet haben. Sounds, Vorträge, Bier, Gespräche täglich (12 bis 22 Uhr) bis Samstag bei freiem Eintritt.
Von Christian Pichler