Von „Stauffenberg“ bis „Das Leben der Anderen“: Er ist einer der meistbeschäftigten Charakterdarsteller im deutschsprachigen Raum und feiert auch international viele Erfolge.
Im Dreiteiler „Euer Ehren“, der ab Samstag, 9. April (20.15 Uhr), auf ORF 2 zu sehen ist, spielt er an der Seite von Ursula Strauss und Tobias Moretti den Richter Michael Jacobi, der, um seinen Sohn zu schützen, vom rechten Weg abgeht.
Der Schauspieler Sebastian Koch, der demnächst 60 wird, über Österreich, Werte und das Älterwerden.
VOLKSBLATT: Drehen Sie gern in Österreich?
SEBASTIAN KOCH: Und wie! Ich liebe Österreich und komme immer wieder gerne her, zum Arbeiten wie auch privat. Die Österreicher sind sehr herzlich und warm, das mag ich.
Es gibt eine israelische Vorlage — „Kvodo“ — zu „Euer Ehren“, auch in Amerika wurde die Serie neu verfilmt. Haben Sie sich damit beschäftigt?
Die israelische Vorlage habe ich teilweise gesehen, um ein Gefühl für den Stoff zu bekommen. Bei der amerikanischen Adaption hingegen habe ich mich das nicht getraut. Ich wollte keine vorgefertigten Bilder im Kopf haben. Das werde ich jetzt aber nachholen.
Wie war die Zusammenarbeit mit Ursula Strauss und Tobias Moretti?
Wunderbar wie immer. Ursula Strauss ist eine grandiose Schauspielerin und ein großartiger Mensch. Tobias Moretti kenne ich schon über 20 Jahre. Ich glaube, das ist der vierte oder gar fünfte Film, den wir zusammen gemacht haben. Der erste war 2001 „Die Entführung des Richard Oetker“. Die Zusammenarbeit ist nach so vielen Jahren sehr vertraut.
Sie spielen einen Richter, der für seinen Sohn an einem bestimmten Punkt entscheidet, einen anderen Weg als den des Gesetzes zu gehen. Sie sind selbst Vater. Wie weit würden Sie für Ihre Kinder gehen?
Das ist sehr hypothetisch. Ich glaube nicht, dass man das im Vorfeld beantworten kann. Solche Situationen sind höchst intuitiv. Ich glaube, jeder, der Kinder hat, würde alles Menschenmögliche für sie tun. Würde ich mich schützend vor die Kugel werfen, die im Begriff ist, mein Kind zu treffen? Ich hoffe es. Aber in diesen Momenten entscheidet nur die Intuition.
Nehmen wir unseren Kindern heute generell zu viel ab?
Das kann sein. Wir Erwachsenen neigen ja dazu, alles für unsere Kinder zu entscheiden, weil wir glauben, es besser zu wissen. Dabei übersehen wir leider immer wieder die große Weisheit dieser kleinen Wesen.
Vom erfolgreichen, souveränen Richter zum Mann in Panik auf der Flucht. Wie war es, in diese Rolle zu schlüpfen?
Anstrengend (lacht). Dieser Richter muss sein Lügenkonstrukt unentwegt auf den verschiedensten Ebenen absichern, vorausdenken, was seine Taten und Unwahrheiten woanders auslösen könnten. Das ist purer Stress, nicht nur für die Figur, auch für den Schauspieler. Gleichzeitig macht das natürlich ungemein Spaß, sich so jemanden zu erarbeiten. Großartig auch, dass er ein Richter ist, also jemand, der allein schon durch seinen Beruf für die Werte unserer Gesellschaft steht. Wenn so jemand seine Grundsätze unterwandern muss, bekommt das eine noch intensivere Dimension.
Die Justiz, aber auch die Politik und Unternehmer werden als korrupt gezeigt, „Freunderlwirtschaft“ überall. Ist das das Bild von Österreich, das man anderswo hat?
Das gibt es doch überall auf der Welt. Die Vorlage stammt ursprünglich aus Israel, mittlerweile wurde der Stoff auch für Amerika, Italien und Frankreich adaptiert — und da funktioniert er genauso. Zudem ist die Serie auch überhaupt kein moralisches Lehrstück. Sie hat mehr Fragen als Antworten und lässt die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen.
Da prallen auch zwei Familien — die des Richters und die Clan-Familie — aufeinander, die, wenn es eine Bedrohung gibt, letztlich ähnlich reagieren … Was hält unsere Gesellschaft zusammen?
Bislang haben wir gehofft, dass diese Werte, für die auch unser Richter steht, der gemeinsame Nenner der Gesellschaft sind: Ethik, Moral, Verantwortungsbewusstsein, Demokratie. Aber nicht nur der Richter gibt diese Werte peu à peu auf – auch in unserer Gesellschaft geraten sie ins Wanken. Wenn jemand nur noch zuhaut und kein Dialog mehr möglich ist – was machen wir denn dann?
„Euer Ehren“ ist ein teilweise brutaler Thriller. Braucht es das im TV, um gegen Streamingdienste, wo sehr viel mehr Gewalt in Serien zu sehen ist, zu bestehen?
Das glaube ich nicht. Wir haben ja nicht künstlich Gewalt hineingebastelt, sondern Jacobi gerät von einer Katastrophe in die nächste, eine Lawine, die sich immer weiter verstärkt. Das ist keine Effekthascherei, sondern eine Metapher darauf, was passiert, wenn man immer weitermacht — wider besseres Wissen. Er ist in einem Labyrinth ohne Ausweg.
Es geht auch um Vergebung und Verzeihen …
Das sollte es im Leben immer. Aber die Menschen müssen das wollen und bereit dafür sein. Man sollte Vergebung anders herum denken: Wenn wir vergeben und verzeihen, befreien wir uns in erster Linie selbst. Wir sagen uns los von der Suche nach dem Schuldigen und erlösen uns vom negativen System.
Sie werden Ende Mai 60. Welche Rolle spielt das Alter für Sie?
Keine übergeordnete. Mit 60 war man früher alt, ein Opa eben. Das ist heute anders. Und ich glaube, das ist nicht nur dem ewigen Jugendwahn geschuldet. Ich glaube, solange man die Neugierde und die Lust auf Neues behält, kann man gar nicht wirklich alt werden. Vom leidigen Körper mal abgesehen (lacht).
Woran arbeiten Sie gerade?
Ich arbeite schon länger nicht mehr an verschiedenen Projekten parallel, d.h., die nächste Arbeit wird sicher nicht vor dem Herbst beginnen. Gerne habe ich auch meine Lesungen mit so großartigen Musikern wie Daniel Hope oder Erik Schumann und ich spiele auch wieder mehr Gitarre. Dinge, für die ich früher keine Zeit hatte. Wenn ein neues Film-Projekt kommt, das mich umhaut, bin ich aber natürlich wieder bereit.
Mit SEBASTIAN KOCH sprach Melanie Wagenhofer