Soeben erst hat Kirill Petrenko seine vierte Saison als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker in der deutschen Hauptstadt eröffnet, schon sind sie auf der seit Karajans Zeiten traditionellen Festspiel-Tour nach Salzburg und Luzern.
Aufgrund eines Wanderunfalls musste Petrenko das jeweils zweite Konzert abgeben, jedoch erklang wie geplant die knapp 80-minütige 7. Sinfonie von Gustav Mahler am Sonntag im Großen Festspielhaus bei den Salzburger Festspielen und geriet zum Ereignis!
Höchste Ansprüche an Ausführende & Publikum
Weit entfernt von der Popularität einer „Ersten“, dem „Lied von der Erde“ samt „Knaben Wunderhorn Idylle“, dem „Tod in Venedig Mythos“ der „Fünften“ ganz zu schweigen, ging es hier um das sicher geheimnisvollste, von Mahler selbst als sein „bestes Werk“ bezeichnete Opus. Großteils in den Sommern 1904/05 in Maiernigg am Wörthersee entstanden, fordert dieses fünfsätzige, so gar nicht homogen wirkende Meisterwerk höchste Konzentration von Ausführenden, aber auch Publikum.
Vom ersten Akkord und dem sofort darauffolgenden grandiosen Tenorhorn-Solo an, zog Petrenko die über 2000 Besucher im ausverkauften Saal in seinen Bann. Selten erlebt man ein so hochkonzentriertes Publikum.
Anfangs noch recht zurückhaltend in seinen Bewegungen, aber glasklar und präzisest ohne jedweden Dirigier- Schnickschnack, „vergaß“ der in Vorarlberg musikalisch aufgewachsene 50-Jährige — längst Österreicher geworden — all seine Fußprobleme, wiegte und suggerierte im Tanzschritt viele Details an Agogik, Dynamik und Ausdruck.
Die Agilität und Wachheit dieses unbeschreiblich virtuosen Klangkörpers ist schier grenzenlos. Wenn die gesamt 100 Musiker, nebst zwei Harfen auch Mandoline und Gitarre, in den wunderbar innigen Abschnitten der beiden „Nachtmusiken“ spontan auf „Kammermusik im Großen“ umschalten und Klangwunder — mit 60 Streichern — entstehen lassen, ist man tief berührt. Dazu die Weltklasse- Solisten quer durch alle Register, von Kashimoto über Grosz, Pahud, Ottensamer, Damiano zum „Wunderhornklang“ des Stefan Dohr. Grenzenloser Jubel nach dem allzu lauten Karneval C-Dur- Finale.
Sicherlich ist diese Lesart des Phänomens Mahler von Petrenko eine andere als die von Leonard Bernstein, der in den 1970er-Jahren erst zur „Mahler-Renaissance“ führte. Auch Abbado, Rattle, vor allem Haitink im Concertgebouw Amsterdam spannen diese spezielle Mehrdeutigkeit weiter. Vieles bleibt offen, aber gerade das Gespann Petrenko/Berliner Philharmoniker wird unser Mahler-Bild noch sehr prägen!
Von Heinz Haunold