Ursula Wiegeles neuer Roman „Malvenflug“ erzählt von einer österreichischen Familie, die sich über die Jahrzehnte in alle Winde zerstreut und sich dennoch eine Art Zusammenhalt bewahrt. Die 1963 in Klagenfurt geborene Autorin zeichnet sprachlich sparsam die Lebenswege ihrer Protagonisten nach. In dem leise erzählten, vielschichtigen Buch trifft man auf Erwartungen, Rollenbilder und die Frage, was Familien im Kern zusammenhält.
Die Geschichte der in Graz lebenden Schriftstellerin hat keine eigentliche Hauptfigur. Vielmehr fokussiert der Roman im ersten Teil, beginnend in den 1940er-Jahren, in kurzen Kapiteln schlaglichtartig einmal auf das eine, mal auf das andere Familienmitglied. Man ist dankbar für das vorangestellte Personenverzeichnis. Im zweiten Teil, Jahrzehnte später angesetzt, wird Helg, das Älteste Kind der Familie zur Ich-Erzählerin.
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Von ihrer später nach Theresienstadt deportierten, taubblinden Freundin erhielt sie einst ein Säckchen Stockmalven-Samen, das sie aussät: „Wo immer mein Zuhause war“ — viereinhalb Jahrzehnte lang. Das Buch ist durchdrungen von den Geschehnissen der NS-Zeit, spürt etwa den Auswirkungen der damals propagierten Härte gegenüber Kindern nach. Das Bild von Familie, das die Autorin beschreibt, ist kein romantisches, kein liebevolles. Im Erzählen lotet die Autorin Entfernungen nicht nur geografischer Natur aus.
Ursula Wiegele: Malvenflug. Otto Müller Verlag, 225 Seiten, 23 Euro