Mit dem mehrdeutigen Appell „Verachtet mir die Meister nicht!“ beginnt Hans Sachs, die tragende Hauptfigur von Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“, sein Schlussplädoyer für die „Deutsche Kunst“, um dessen Aussage die symbolistisch überladene Neuinszenierung durch Paul-Georg Dittrich nicht herumkommt.
Die Aufführung anlässlich des Jubiläums des Linzer Musiktheaters, das am 11. April 2013 erstmals seine Pforten öffnete, feierte am Karsamstag ihre sechs Stunden dauernde Premiere.
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Originelle Ideen und zum Teil dichte Symbolik
Originelle Ideen und stellenweise dichte Symbolik kann man der Regie und den Ausstattern (Bühne: Sebastian Hannak, Kostüme: Anna Rudolph, Video: Robi Voigt) nicht absprechen, doch allzu oft verdeckt paradoxerweise die überquellende Optik den Blick auf den Kern des Inhalts.
Der erste Akt – Eva träumt als Kind vom Ritter Stolzing und den eitlen Meistersingern (kostümiert abwechselnd als Schachfiguren und Ratsherren in Joker-Maske mit Vielzweck-Kasperl-Hüten) – erschließt sich noch dem aufnahmebereiten Betrachter; doch im zweiten Akt wird der Schauplatz Nürnberg per „Video-Zoom-out“ zu einem „Pinball-Flipper“ mit „Score-Board“ und flankierenden Wahrzeichen (u.a. die Nazi-Reichstags-Tribüne!). Die Handlung geht vorerst im Mummenschanz unter, in dem das pubertierende Evchen zum „Bunny“, Beckmesser zum „Elektro-Rocker“, Sachs zum zwielichtigen „Boss“ und Stolzing zum trainierenden Boxer mutieren. Die obligate Massenschlägerei wird auf dem Score-Board sehr zutreffend als „Overkill“ etikettiert.
Auch der dritte Akt wartet mit — allerdings positiven — Überraschungen auf, bleibt aber konsequent bei Flippern als Stilmittel. Das zu Eva gereifte Evchen wählt Stolzing aus Liebe trotz Gegendruck, und der nun erfahrene Stolzing bringt in seinem überwältigenden „Meister“-Lied die eigentliche Botschaft der Oper auf den Punkt: Wahre Kunst kann nur frei und ohne aufgepfropftes Reglement geschaffen werden.
Doch: Was hilft´s? Aus dem von Sachs sehr deutlich artikulierten Resümee fallen folgende Worte ins Gewicht: „Zerfällt erst deutsches Volk und Reich, in falscher welscher Majestät kein Fürst bald mehr sein Volk versteht; und welschen Dunst mit welschem Tand sie pflanzen uns in deutsches Land.“ Unter der Last solcher Worte zerbröselt jeder Modernisierungsversuch zu „welschem Tand“.
Phänomenal: Martin Achrainer als Beckmesser
Schwankende sängerische Leistungen verschieben auch die Schwerpunkte des Geschehens: Die Haupt-Akteure Claudio Otelli (Sachs), Heiko Börner (Stolzing) und Erica Eloff (Eva) halten sich wacker, nicht ohne Ermüdungszeichen. Jedoch: Phänomenal Martin Achrainer als unfähig-intriganter Beckmesser, und stimmlich wie schauspielerisch top das Buffo-Paar Matjaz Stopinsek (David) und Manuela Leonhartsberger (Magdalena). Mit edlem, wortdeutlichem Bass führt Dominik Nekel (Veit Pogner) den Reigen der Meistersinger-Handwerker an, aus dem Michael Havlicek (Bäcker Kothner) heraussticht.
Berührende Musik, ausgezeichnete Chöre
Das Bruckner Orchester und Markus Poschner bewältigen das Riesenwerk in allen Ehren; sie gestalten die lyrischen Passagen und viele Details sehr berührend. Der Chor, Extrachor sowie Kinder- und Jugendchor des Landestheaters, einstudiert von Elena Pierini und Martin Zeller, meistern ihre zahlreichen sängerischen und szenischen Aufgaben ausgezeichnet.
Der beträchtliche Schlussapplaus galt allen Mitwirkenden, dem ideenreichen Leading-Team schallten auch kräftige Buhs entgegen.