Eine Stimmung wie am Sonntag gab es kaum jemals im Brucknerhaus, in dessen Geschichte diese Weltpremiere eingehen wird. Der berühmte walisische Chorkomponist Karl Jenkins dirigierte sein neuestes Opus „One World“, einen 14-teiligen Friedensappell an die Menschheit von heute und unsere Zeit voll von Krisen, Kriegen und Zerstörung natürlicher Güter auf unserem Planeten. Schüchterne Applausversuche zwischen den Sätzen verebbten bald, um am Schluss in einen von Standing Ovations begleiteten Jubelorkan auszubrechen.
Hunderte Sänger und ein genial komponiertes Werk
Auf der Bühne und am Balkon verteilt ein in Weiß gekleideter Riesenchor in mehrfacher Hundertschaft, davor ein groß besetztes Orchester aus allen Instrumenten, die dem Meister fühlbar mit Ehrfurcht, seinen Zeichen präzise folgend musizierten. Und drei hervorragende, attraktive Solisten, denen man gerne wiederbegegnen würde: Ruby Hughes (Sopran), Kathryn Rudge (Mezzosopran) und Roderick Williams (Bariton). Was für ein Aufwand, möchte man meinen. Der sich jedenfalls lohnte und den Schaffensprozess von Jenkins bei diesem Spezialwerk unbedingt erforderte.
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„One World“ ist keine Oper, kein Oratorium, keine Programmsinfonie oder eine zusammengesetzte Handlung von Erzählungen, sondern vielmehr eine kontrapunktisch genial erfundene Musik wie ein Cantus firmus, den Jenkins harmonisch erfinderisch durchzieht. Stilistisch schwer festzulegen, was bei der durchgehenden Spannung ohnehin nicht nötig ist. Vielleicht kreierte er mit seinen globalen Friedenswerken, die von der UNESCO unterstützt werden und diesmal der erfolgreiche Linzer Chor-Intimus Alexander Koller die Uraufführung für Linz organisierte, einen bisher kaum in dieser Art auftauchenden „Stile Pace Nuovo“.
Der World Choir of Peace und der Stay at Home Choir, der Hard-Chor Linz, der Chor des Musischen BORG Linz sowie Landesjugendchöre aus aller Welt waren mit einem ganzen Textkomplex (Carol Barrat) konfrontiert und mussten auch nach einem eigens erstellten Code singen. Das World Orchestra of Peace hatte es da besser und fiel nicht nur mit seinem großartig auch solistisch brillierenden Konzertmeister Krzysztof Wisniewski mehrmals auf. Beim Durchlauf der Sätze ist die Geschlossenheit des Werkes zu bewundern.
Jenkins beginnt bei der Schöpfung, weiter bittend und betend um Frieden, begibt sich auf spirituelle Suche, appelliert auf Hebräisch, kommt zum Mantra-Gebet, lässt die Sonne in der Gestalt der Gottesmutter zur Erleuchtung aufgehen, und widmet sich in vier Sätzen unseren spezifischen Problemen, indem er an die Wahrheit von Sklaverei, Menschenhandel u.a. erinnert. Die letzten beiden Szenen sind der Wiedergeburt und Hoffnung gewidmet. Bei der Schlusshymne auf ein goldenes Zeitalter ergibt sich doch der Gesamteindruck eines religiös inspirierten Werkes als ein Mysterium der schöpferisch weltreichenden Persönlichkeit Jenkins. Er ward von allen umschlungen. Seine Musik umarmte die ganze Welt.