„Nackt im kalten Oberösterreich und kein Penis“ kam Miriam Hie 1978 zur Welt. Schade, Mama hätte gerne einen kleinen Prinzen bekommen. Der Papa hielt die Geburt auf Tonband fest, ein bis heute „verstörendes Hörspiel“. Verstörend wie Hies Herkunft, die jeden identitären Flachwuzler in die Depression stürzen sollte: die Familie, einst Teil der chinesischen Minderheit auf Indonesien, floh vor den Massakern von 1965 (3 Millionen Ermordete). Fluchtpunkt Österreich, die Familie landete schließlich in Christkindl bei Steyr.
Brave & böse Seele
„Who is Hie?“, fragt die bekannte TV-Moderatorin Miriam Hie (Romy 2013) in ihrem Kabarett-Erstling, mit dem sie am Freitag im Linzer Posthof gastierte. Der ursprüngliche Titel „Big Trouble in Little Va-China“ war auch sehr okay. Aber darf eine Frau so derb sein und Witze über ihr Geschlecht machen?
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Nach der Pause ringen brave und böse Seele in Hies Brust. Die freundliche Moderatorin, die auch kollegiale Herablassung („meine kleine Geisha“) lächelnd hinnahm — „feige Sau!“, zischt da die böse Seele. Wo liegt die Grenze „zwischen Professionalität und Oaschkriechen“?
Die Eltern „Integrationsextremisten“, schickten ihre Töchter früh auf die Berge. Bloß gab´s statt einer Brettljausn Nasi Goreng in Tupperware.
Miriam ist „die Mimi vom Scheiß-obi-Wirtn“, das nahe Wirtshaus hatte damals keine Toilette, die Leute entleerten sich auf dem Hang. Tritte von den Buben in der Schule, eine Freundin vermutet unangenehme Hautspannungen: „Tut das weh bei deinen Augen?“ Mimi zieht später nach Wien zum Studieren, sucht als „Mostschädlin“ vergeblich Anschluss an die chinesische Community.
Nur ned sudern
Aber die Mimi — darin ganz unösterreichisch — ist ganz weit weg vom Sudern, dafür hart im Nehmen. Die Härte, die Selbstironie machen „Who is Hie?“ zu einem besonderen Humorjuwel. Das asiatische Aussehen, das ihr Rollenfach im TV auf Sexarbeiterin oder Auftragskillerin einschränkte (ein G´schichtl?), in der SOKO Linz endlich die Beförderung zurHausmeisterin: „Nicht mehr Quoten-Asiatin, sondern Quoten-Oberösterreicherin.“
Seltsame Rituale der Kindheit, das Mädchen Mimi hatte sich für seine Untaten stets bei „den Ahnen“ zu entschuldigen. Warum bloß interessieren sich die Altvorderen für läppische Vergehen eines Kindes? Die erwachsene Mimi begibt sich auf Spurensuche nach den Ahnen und bekommt legendenumrankte Antworten. Die Wahrheit über den Menschen ist auch ein Spiel, eine Erzählung. Leichtfüßig wirkt Hies Auftritt und wühlt doch beachtlich in der Tiefe. Das Publikum im Posthof brauchte eine Weile zum Auftauen, am Ende heftigster Applaus.
Von Christian Pichler