Bruckneruni forscht zu Schlager, Revue & Co. in der NS-Zeit

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Wie weit gelang es der NS-Kulturpolitik, in die Populärkultur ihrer Zeit einzugreifen? Welche Freiheiten und Spielräume hatten Künstler in diesem Sektor, sofern sie nicht verfolgt, vertrieben oder getötet wurden?

Den Umgang mit Schlager, Revue und Operette und deren Akteuren und die Entwicklung von Genres erforscht ab April und in den nächsten drei Jahren das deutsch-österreichische Projekt „PopPrints“, gefördert durch den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). An Bord sind neben der Linzer Anton Bruckner Privatuniversität die Universitäten Salzburg und Greifswald.

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Die Idee wurzelt in einem Materialfund. Eine junge Wissenschafterin wandte sich mit dem Notenbestand des Münchner Dreiklang-Dreimasken Verlags, bei dem populäre Werke der Zeit erschienen an das Forschungsteam. „Die Hochkultur der Nazizeit ist schon gut erforscht, Populärkultur hatte man dafür zum Teil noch nicht wert befunden, genauer untersucht zu werden“, so Universitätsprofessorin Carolin Stahrenberg im VOLKSBLATT-Gespräch.

Stahrenberg unterrichtet seit 2019 an der Bruckneruni Musikwissenschaft, hat über musikalische Populärkultur in der Weimarer Republik promoviert und sich auch intensiv mit Musik und Migration beschäftigt. „Früher gab es so eine Art Zwischenraum, in dem sich viele Musiker und Musikerinnen bewegten: Sie verfügten zwar über eine klassische Ausbildung, spielten aber gleichzeitig in Bars und arbeiteten für Film und Musiktheater.“

Weil man auch wissen will, welche Kontinuitäten es gab, hat man den Untersuchungszeitraum auf 1930 bis 1950 ausgedehnt. In dieser Zeit sorgten neue Medien – Radio, Grammophon etc. – für eine starke Verbreitung, populäre Musik wie Schlager wurde massentauglich und international, auch Tanzorchester trugen stark zur Beliebtheit vorbei.

Die Soubrette Hilde Föda als Nelli in Zellers „Obersteiger“, Theater Baden bei Wien, Spielzeit 1939/40 (mit Franz Riffel) ©Universität Salzburg, musikwissenschaftliche Sammlungen.
Die Soubrette Hilde Föda als Nelli in Zellers „Obersteiger“, Theater Baden bei Wien, Spielzeit 1939/40 (mit Franz Riffel) ©Universität Salzburg, musikwissenschaftliche Sammlungen.

Materialien aus und Stars der Zeit im Fokus

Die Bruckneruni, die mit drei Mitarbeitern, darunter eine Dissertantin, an der Forschungstätigkeit beteiligt ist, bringt auch viel interessantes eigenes Material ein: Verfügt die ABPU doch über die Sammlung der Verwertungsgesellschaft AKM, die sämtliche Belege von österreichischen Notendrucken jener Phase enthält.

Weiters beschäftigt man sich mit den Nachlässen der damals populären Operettenkomponisten Nico Dostal („Clivia“) und Fred Raymond („Maske in Blau“) und den Sängerinnen Lillie Claus und Hilde Föda, Letztere ein Operettenstar, sie feierte ihren Durchbruch im Tonfilm „Wiener Mädeln“ (1944). „Als ihre Karriere gerade Fahrt aufnahm, kam das Kulturleben im Krieg zum Erliegen“, so Stahrenberg.

Insgesamt liegt ein großer Bestand an noch nicht beforschten Quellen für das Projekt vor. Deutschland und Österreich werden untersucht, weil viele Künstler, die Deutschland in den Dreißigerjahren verlassen mussten, zuerst nach Österreich gingen, bevor sie weiter emigrieren mussten.

Goebbels ließ zu, was ihm gefallen hat

Für viele Künstler, die zunächst geblieben sind, war die Situation in Nazideutschland jedenfalls äußerst schwierig. Zur Verfolgung aus rassischen und anderen Gründen kam dazu, dass es von behördlicher Seite keine einheitlichen Vorgaben gab. „Es gab keine homogene Kulturpolitik in der NS-Zeit“, so Stahrenberg.

Das habe Angst und Unsicherheit bei den Beteiligten geschürt, weil man vorab nie sagen habe können, was akzeptiert oder ob eine Aufführung vielleicht unterbrochen und beendet werden würde und welche Konsequenzen das nach sich ziehen würde. „Auch die Frage, was kann ich von jüdischen Autoren weiterspielen und was nicht, beschäftigte Künstler, die sich immer wieder vor dem System positionieren mussten“, so Stahrenberg.

Für manche(s) wurden Sondergenehmigungen erteilt. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, auch Präsident der Reichskulturkammer, habe als oberste Instanz eher ästhetisch als inhaltlich eingegriffen, so die Professorin, oder einfacher gesagt, er ließ zu, was ihm gefallen hat. Argentinischer Tango und andere „nichtdeutsche“ Musik und Tanz waren nicht etwa verboten, sondern erfreuten sich als Exoten großer Beliebtheit. Wie bei den Alliierten – etwa Marlene Dietrich, die US-Soldaten an der Front unterhielt -, schickte auch Nazi-Deutschland Künstler aus zur Truppenbetreuung. Stahrenberg: „Hilde Föda musste zwar nicht an die Front, erhielt aber jede Menge Feldpost von Soldaten, die sie bei Aufenthalten in der Heimat auf der Bühne bewundert hatten.“

„PopPrints“ soll mehrere Publikationen, aber auch international besetzte Tagungen zeitigen, auch eine Zusammenarbeit mit dem Lehár Festival Bad Ischl ist geplant.

Von Melanie Wagenhofer