Vor dem Hintergrund eines neuen Berichts über Rekordwerte bei den globalen CO2-Emissionen haben Staatsoberhäupter aus aller Welt ihre unterschiedlichen Zugänge zum Klimaschutz bei der UNO-Klimakonferenz (COP29) in Baku geteilt. Während Vertreter aus besonders betroffenen Inselstaaten am Mittwoch ein „klares Signal“ für das Ende der fossilen Energien forderten, setzten jene aus den reicheren Staaten auf deutliche Zurückhaltung bei dieser Frage.
Zum zentralen Verhandlungsthema Klimafinanzierung wurde ein neuer Verhandlungsentwurf vorgelegt, der drei mögliche Optionen vorsieht. In der von den Entwicklungsländern favorisierten Version werden für diese mindestens 1,3 Billionen Dollar (1,23 Billionen Euro) jährlich für Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels vorgesehen.
Am zweiten Tag des Gipfelsegments folgten auf dem Podium in Baku die Staats- und Regierungschefs zahlreicher Länder aufeinander. Ihre Reden sollen den Verhandlungen den nötigen Schwung geben. Von der Gruppe der 20 einflussreichen Industrie- und Schwellenländer (G20) gab es in diesem Jahr allerdings nur eine Handvoll Zusagen. Auch Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen konnte heuer nach seiner Bandscheiben-Operation erneut nicht zur Klimakonferenz reisen.
Die Reden machten deutlich, wie uneinig sich die Staaten bei ihren Vorstellungen für den Klimaschutz sind. So äußerten Vertreter reicherer Staaten deutlich ihre Zurückhaltung beim Ausstieg aus fossilen Energien. Italiens Regierungschefin Meloni betonte etwa, es gebe „keine einzige Alternative“ zu fossilen Brennstoffen, kündigte aber auch eine Rückkehr Italiens zur Atomkraft an. Weiter warnte sie vor einem „übermäßig ideologischen Ansatz“.
Der Übergang weg von den fossilen Energieträgern werde „nicht schmerzlos“ sein, sagte der konservative griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. „Wir können uns nicht im Namen der CO2-Neutralität in die industrielle Vergessenheit stürzen“, mahnte er.
Dagegen riefen besonders vom Klimawandel und vom Anstieg der Meeresspiegel betroffene Staaten zum dringenden Handeln auf. Es gebe keine Zeit zu verlieren, sagte der Regierungschef des kleinen Inselstaats Tuvalu, Feleti Penitala Teo. Sein Land hoffe aufrichtig, dass die abschließenden Entscheidungen der COP „ein klares Signal dafür setzen, dass die Welt die Nutzung fossiler Brennstoffe zügig einstellt“.
Aufrüttelnde Worte wählte der Regierungschef des kleinen Balkanstaats Albanien, Edi Rama. „Was zum Teufel machen wir in dieser Versammlung, wenn es immer wieder keinen gemeinsamen politischen Willen gibt, sich zu vereinen und den Worten Taten folgen zu lassen“, fragte er in seiner Rede.
Dass dringender Handlungsbedarf besteht, machen am Mittwoch veröffentlichte Berechnungen des Global Carbon Project deutlich, denen zufolge die CO2-Emissionen in diesem Jahr einen Rekordwert erreichen werden. Laut der Studie werden 2024 voraussichtlich 37,4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid durch die Nutzung von Öl, Gas und Kohle ausgestoßen. Das stellt einen Anstieg von 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr dar.
Um trotzdem das Ziel einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erreichen zu können, müsste die Welt nach Einschätzung der Wissenschafter bereits bis Ende der 2030er-Jahre die Emissionen auf netto Null abgesenkt haben – und damit deutlich früher als von den meisten Staaten vorgesehen.
Erst am Dienstag hatte der Präsident des COP29-Gastgeberlands Aserbaidschan, Ilham Alijew, fossile Brennstoffe wie Öl und Gas als „Gottesgeschenk“ bezeichnet. Zudem überschattet die Rückkehr des Klimawandel-Leugners Donald Trump als Präsident der USA die aktuellen Klimaverhandlungen. Er kündigte bereits an, aus dem Pariser Klimaabkommen austreten zu wollen.
Unterdessen kündigte das Weiße Haus einen massiven Ausbau der Kernenergie in den USA an. Laut den am Mittwoch veröffentlichten Plänen sollen die Kapazitäten bis 2050 verdreifacht werden. Dies dürfte einer der letzten Schritte einer ehrgeizigen Politik zur Energiewende sein, die der scheidende US-Präsident Joe Biden noch umsetzen kann.
Die dringend notwendige Reduzierung der weltweiten Treibhausgasemissionen ist eines der Themen der zweiwöchigen Verhandlungen in Baku. Zum weiteren zentralen Thema der Konferenz, der internationalen Klimafinanzierung, wurde unterdessen ein neuer Entwurf für eine Vereinbarung vorgelegt. Das 34-seitige Dokument legt konkrete Möglichkeiten für die Bereitstellung der Finanzmittel dar, allerdings bleiben einige Streitpunkte offen.
Der Entwurf enthält drei Optionen für die Bereitstellung der Finanzmittel: Die erste sieht vor, dass die Unterstützung für den Klimaschutz und die Klimaanpassung wie von den Entwicklungsländern gefordert ausschließlich von den Industriestaaten gestemmt wird. Die zweite Variante spiegelt die Position der Industrieländer wider, wonach auch reichere Schwellenländer wie China Geberländer werden sollen. Der dritte Vorschlag enthält einen Kompromiss-Ansatz.
Die zentrale Aufgabe der Delegationen aus fast 200 Ländern bei der COP29 ist es, einen neuen finanziellen Rahmen für die Zeit nach 2025 festzulegen. Nach Expertenschätzungen sind künftig mindestens eine Billion Dollar pro Jahr notwendig, um Länder des globalen Südens beim Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen der Erderwärmung zu unterstützen.
Im jüngsten Entwurf für eine Vereinbarung forderten die Entwicklungsländer mindestens 1,3 Billionen Dollar. Bisher gilt für die Förderung von Klimaschutz und Klimaanpassung eine Zusage der reichen Industrieländer von mindestens 100 Milliarden Dollar pro Jahr.
Laut dem US-Klimagesandten John Podesta muss eine Vereinbarung auch „neue Beitragszahler“ wie China einschließen. Auch Deutschlands Staatsminister im Entwicklungsministerium, Jochen Flasbarth, betonte, dass für ein Erreichen der Finanzierungsziele sowohl die traditionellen Geberländer aber auch weitere Staaten einbezogen werden müssten. Überdies müssten „private Investitionen in großem Umfang“ generiert werden.
In die Zukunft blickt indes die Türkei und will die Weltklimakonferenz im Jahr 2026 ausrichten. Das Land sei Kandidat für die COP31, sagte Umwelt-und Klimaminister Murat Kurum auf der UNO-Klimakonferenz in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. „Die Türkei wird unter ihrem Vorsitz eine Brücke zwischen entwickelten und sich entwickelnden Ländern bilden, um den Klimaschutz zu stärken“, so Kurum. Welche Stadt Gastgeber werden solle, sagte er nicht.