Im Zuge eines Kraftwerkbaus bei Traun (Bezirk Linz-Land/OÖ) entdeckte der Privatsammler Jürgen Pollerspöck 1980 Überreste eines Ur-Delfins, der vor rund 22 Mio. Jahren in einem flachen Meeresarm in dieser Region gelebt hat. Deutsche Forscher identifizierten den Delfin nun als bisher unbekannte Art und Gattung und gaben ihm den Namen „Romaleodelphis pollerspoecki“. Wie sie im „Journal of Vertebrate Paleontology“ berichten, hatte das Tier ein ausgezeichnetes Hörvermögen.
Pollerspöck übergab den Fund zur Präparation und Aufbewahrung an die Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München. „Übrig von ‚Romaleodelphis pollerspoecki‘ ist nur sein nicht ganz vollständiger Schädel, mit einer langgezogenen Schnauze und 102 gleichförmigen Zähnen“, erklärte Erstautorin Catalina Sánchez Posada von der Ludwig-Maximilians-Universität München, die das Fossil mit Kolleginnen und Kollegen von der Bayerischen Staatssammlung und dem Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum untersuchte.
Der küstennahe Abschnitt des Urmeeres Paratethys, in dem sich der Ur-Delfin zur Zeit des Miozäns gemeinsam mit vielen anderen Organismen wie verschiedenen Einzellern, Algen, Muscheln, Schnecken, Tintenfischverwandten und Fischen tummelte, erstreckte sich etwas nördlich der damals gerade entstehenden Alpen. Wie die Analysen der Überreste zeigten, gehört das Tier zur Gruppe der Zahnwale, unterscheidet sich allerdings deutlich von allen bisher bekannten ursprünglichen Vertretern.
Romaleodelphis dürfte mit den heute ausgestorbenen, sehr urtümlichen Delfinen der sogenannten Chilcacetus-Linie verwandt sein. Die bisherigen Fossilien dieser Linie stammen alle aus dem nordöstlichen Pazifik und von den Küsten Südamerikas. „Die Entdeckung von ‚Romaleodelphis pollerspoecki‘ als womöglich Verwandter dieser Linie aus Europa könnte neue Erkenntnisse über deren Evolution und Ursprung im frühesten Miozän liefern“, so Gertrud Rößner, Kuratorin für fossile Säugetiere an der Bayerischen Staatssammlung in einer Aussendung.
Der bei Traun gefundene Delfinschädel ist stark zusammengedrückt, was die Untersuchung seiner Anatomie besonders schwierig gemacht hat. Mit Hilfe eines Computertomographen konnten dennoch innenliegende Merkmale analysiert werden. Dabei lieferte speziell die anatomische Rekonstruktion des Innenohrs des Fossils bemerkenswerte Ergebnisse. So dürfte der Ur-Delfin ein ausgezeichnetes Hörvermögen im Hochfrequenzbereich gehabt haben – ähnlich jenem von modernen Delfinen. Damit ist „Romaleodelphis pollerspoecki“ einer der ältesten bekannten Zahnwale, die über einen Gehörsinn verfügten, wie er heute beispielsweise bei den Schweinswalen zu finden ist. Diese Tiere können in Frequenzbereichen kommunizieren, die außerhalb des Hörvermögens ihrer Fressfeinde liegen.
Internet: doi.org