Im Wahlkampf sei die enorme Teuerung bei Energie, Wohnen und Lebensmitteln zentral gewesen und wurden viele Versprechungen gemacht – nun sei hingegen von Einsparungen die Rede. Diese dürfen nicht auf Kosten armutsgefährdeter oder -betroffener Menschen gehen, hieß es bei der Jahrespressekonferenz des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK) am Freitag. Deswegen präsentierte die Hilfsorganisation einen Forderungskatalog an die künftige Bundesregierung.
Zu den geforderten Maßnahmen zählen u. a. die Anhebung des Arbeitslosengeldes auf ein „armutsfestes Niveau“, die Valorisierung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe und eine Reform bei der Anrechnung der Wohnbeihilfe. 1,5 Millionen Menschen seien in Österreich armutsgefährdet, während 333.000 Menschen im Jahr 2023 manifest arm waren – gegenüber 2022 eine Steigerung von rund 100.000 Personen. „Ich glaube, wer in die Zukunft investieren will, muss auch in die Armutsbekämpfung und -vermeidung investieren“, erklärte ÖRK-Präsident Gerald Schöpfer.
Eine Initiative des ÖRK zur Linderung der Armut ist die Team Österreich Tafel. Dort werden Menschen unterstützt, die unter der Armutsgefährdungsschwelle leben, mit gespendeten Lebensmitteln, die nicht mehr verkäuflich aber noch einwandfrei sind, und Hygieneartikeln. Diese werden von freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwa von Supermärkten, lokalen Lebensmittelgeschäften oder direkten Produzenten abgeholt. 2023 wurden bei rund 470.000 Abholungen 5.500 Tonnen an Gütern kostenfrei verteilt, die Freiwilligen waren dabei mehr als 400.000 Stunden im Einsatz.
„Leider ist der Bedarf in den vergangenen Jahren gestiegen“, sagte Gabriele Domschitz, Präsidentin des Landesverbands Wien. Gleichzeitig gehe die Menge der gespendeten Waren zurück. In einer Woche, am 18.10., wird eine österreichweite Spendensammelaktion durchgeführt, bei der Freiwillige bei mehr als 280 Supermarkt-Filialen auf die Initiative hinweisen und die Kundinnen und Kunden dazu einladen, lange haltbare Produkte zu kaufen und zu spenden.
Außerdem wurden die weiteren Leistungen der ÖRK im vergangenen Jahr betont: Dazu zählen u. a. 62,3 Millionen gefahrene Kilometer bei mehr als 3,4 Millionen Einsatzfahrten, 338.531 abgenommene Vollblutspenden oder 102.478 in den Gesundheits- und Sozialdiensten betreute Personen. Dafür dankte Schöpfer den 75.000 Freiwilligen, 10.000 hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mehr als 4.000 Zivildienern und Teilnehmenden des Freiwilligen Sozialen Jahres.
Nicht nur im Inland war das ÖRK tätig: „2023 war in der Geschichte des ÖRK das international stärkste Jahr. Über 56 Millionen Euro an Hilfsleistungen wurden abgewickelt“, so Rotkreuz-Generalsekretär Michael Opriesnig. Außerdem seien im vergangenen Jahr 270 humanitäre Helferinnen und Helfer zu Tode gekommen, so viele wie noch nie. In der Ukraine und im Nahen Osten sei die Situation besonders dramatisch. Das ÖRK unterstütze etwa ein Feldspital des Internationalen Komitee des Roten Kreuzes im Gaza-Streifen mit einer Wasseraufbereitungsanlage. 30.000 Behandlungen wurden dort letztes Jahr durchgeführt, Mitarbeiter berichten von „apokalyptischen Zuständen“ dort.
Die Krisen und Konflikte kosten weltweit viele Menschenleben und Kindern eine lebenswerte Zukunft. „In diesem Zusammenhang bitten wir alle Beteiligten um die Einhaltung des humanitären Völkerrechts. In der Praxis heißt das, dass Krankenhäuser und Zivilisten geschützt werden. Dieses Ziel muss auch ein Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik bleiben“, sagte Opriesnig. Außerdem appellierte er, keine Kürzungen beim Auslandskatastrophenfonds und im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit vorzunehmen.
Forderungskatalog an die nächste Bundesregierung: ➡️ Weitere Informationen; Jahresbericht 2023: austrian-red-cross.foleon.com