Wo junge Long-Covid-Patienten lernen, mit ihrer Energie hauszuhalten

Medizinerin der Reha-Einrichtung „kokon“ schildert die Bandbreite der Symptome der Betroffenen

Welche beschwerlichen Folgen eine Infektion mit SARS-CoV-2 haben kann, erlebt Beate Biesenbach, stv. Ärztliche Leiterin von „kokon“, der Reha für junge Menschen in Rohrbach-Berg, in ihrem beruflichen Alltag. Die Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, erläutert dem VOLKSBLATT typische Krankheitsbilder von jungen Long-Covid-Patienten, bei denen ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom) diagnostiziert wurde.

„Medizinisch sehen wir häufig Störungen des autonomen Nervensystems, insbesondere Kreislaufstörungen. Hier ist wichtig, ein POTS (Posturals orthostatisches Tachykardiesyndrom) zu erkennen, da dies den Alltag durch Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit etc. deutlich einschränken kann.“ Ursache dafür sei, dass die normale Kreislaufregulation – Bein und Beckenvenen verengen sich beim Aufstehen – nicht mehr funktioniere.

Kreislauf, Atmung und Magen-Darm-Beschwerden

„Neben dem Kreislauf können auch Atmung und Magen-Darmtrakt betroffen sein, die Patienten haben Atemprobleme, obwohl die Lungenfunktion unauffällig ist oder Probleme mit der Verdauung wie Übelkeit, Bauchschmerzen oder Verstopfung bzw. Durchfälle. Auch Muskelschmerzen/-schwäche kommen vor, ebenso Schlafstörungen. Licht und Geräusche sind für sie anstrengend“, schildert Biesenbach die vielen möglichen Beschwerden.

Auch der Schlaf verbessert die Erschöpfung nicht

Typisch sei zudem eine pathologische Erschöpfung, die sich auch nach Rasten oder Nachtschlaf nicht bessere.

Bei Überlastung selbst bei banalen Alltagstätigkeiten könne es zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommen, die länger – tage oder gar Wochen – andauere. Auch neue Symptome könnten auftreten. „Diese Abwärtsspirale – Verschlechterung nach jeder Überlastung – kann Schritt für Schritt zu einer Alltagseinschränkung führen, das heißt Freizeitaktivitäten bis hin zur Schulteilnahme sind oft nicht mehr möglich“, weiß Biesenbach.

Dieser Zustand nennt sich Belastungsintoleranz und unterscheidet die Gruppe von anderen untrainierten Patienten, etwa nach einer Operation oder mit einer anderen chronischen Erkrankung. Dabei bleibt typischerweise die Motivation für die Aktivitäten klar erhalten, die Jugendlichen wollen wieder zurück in die Schule, zum Freundeskreis und den Freizeitaktivitäten.

Manche Patienten sind zu schwach für eine Reha

„Nicht alle Long-Covid-Patienten können bei uns im ‚kokon‘ eine Reha absolvieren, denn manche schwer Betroffene sind tatsächlich nicht Reha-fähig“, schildert die Medizinerin: „Wenn wir eine erste Einschätzung haben, wie belastbar die Jugendlichen sind, versuchen wir vorsichtig innerhalb dieser Belastungsgrenze zu therapieren.“

Kompetenz für die eigene Erkrankung wird gesteigert

Das wichtigste Ziel sei dabei, die Kompetenz im Umgang mit der eigenen Erkrankung zu steigern. „Es geht um das Energiehaushalten (Pacing), dabei ist nichts verboten, solange es zu keiner Verschlechterung führt. Das müssen die Jugendlichen, aber auch unser gesamtes Team tagtäglich lernen. Therapien auch einmal abzusagen, fällt den Jugendlichen anfangs schwer“, so Biesenbach.

Wir besprechen auch mit Familie und Schule, wie die individuelle Eingliederung in den Alltag funktionieren kann. Das geht bis hin zur Nutzung eines Avatars, eines Kommunikations-Roboters, der von zu Hause aus die Teilhabe am Unterricht und am sozialen Austausch ermöglicht.

Von Michaela Ecklbauer

Die mobile Version verlassen