Man kennt sie schon von einem Gastspiel 2014 in St. Florian, in einem Stiftskonzert, 2019 stand sie auch schon am Pult des Bruckner Orchesters. In der aktuellen Spielzeit ist die Litauerin Giedre Slekyte (31) als Erste Gastdirigentin des Bruckner Orchesters.
VOLKSBLATT: Sie beschäftigen sich seit 26 Jahren mit Musik. Wie hat Ihre Pultkarriere begonnen?
GIEDRE SLEKYTE: Eigentlich schon, als ich fünf Jahre alt war und im Kinderchor zu Hause gesungen habe.
Sie hatten aber auch Talent zum Tanzen und Schreiben, wann kristallisierte sich dann die Liebe zum Dirigieren heraus?
Sehr bald bei der Erstausbildung an der Kunstschule in Vilnius, von wo ich mein Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz unter anderem bei Martin Sieghart, dem einstigen Linzer Orchesterchef, fortgesetzt habe. Von dort ging es dann weiter nach Leipzig an die Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschule für Musik und Theater, wo ich mein Masterstudium absolvierte.
Zur Erfüllung Ihres Berufswunsches brauchte es natürlich noch weitere Ausbildungswege.
Ja, um weiterzubauen an der Karriere, die nicht von selbst kommt, sondern Bekanntschaften, Erfahrungen mit Konzerten voraussetzt, und da habe ich zugegeben auch Glück gehabt.
Wovon haben Sie beruflich am meisten profitiert?
An der Zürcher Hochschule der Künste konnte ich im Rahmen des Erasmus-Programms ein Semester studieren und in Konzerten Dirigierluft atmen, den Pultäther fing ich erst so richtig ein in den Meisterkursen der berühmten Pultstars Riccardo Muti und Bernhard Haitink. Dafür bin ich sehr dankbar.
Und wann gab es das erste fixe Engagement?
2016/17 und 2017/18 war ich Erste Kapellmeisterin am Stadttheater Klagenfurt, wo heute noch mein Lebensmittelpunkt ist. 2018 meldeten sich die Salzburger Festspiele für die Übernahme der „Zauberflöte“ für Kinder. 2018/19 debütierte ich bei der Dresdner Staatskapelle und in der Semper Oper mit einem Konzertprogramm. Dann spielte wieder Zürich Schicksal, wo ich am Opernhaus die von Barrie Kosky neu inszenierte Oper „Die Gezeichneten“ von Franz Schreker dirigieren durfte. Weitere Engagements bei großen, bekannten Orchestern im Ausland bestärkten mich, dass ich mit dem Dirigieren meinen „Traumberuf“ gewählt habe.
Sie konnten sich früh einschreiben in die junge Garde von Dirigentinnen, die sich in einer von Herren dominierten Pultszene immer mehr durchsetzen, aber auch Vorurteilen ausgesetzt sind.
Davon habe ich nie etwas gespürt, und auch bei der Orchesterarbeit habe ich das erfüllende Gefühl von Respekt und Anerkennung, unabhängig etwa von geschlechtsspezifischen Überlegungen.
Was ist für Sie wichtig bei der Interpretation? Wilhelm Furtwängler sagte: „Interpretation heißt, den Weg des Komponisten nachzuvollziehen.“
Darum bemühe ich mich nach bestem Wissen und Gewissen, wenn ich im Dialog mit den Musikern agiere und reagiere und nehme mir vor, mit gestalterischen Zeichen für Dynamik oder Tempi behutsam umzugehen, denn weniger ist oft mehr für ein treffsicheres Ausdrucksformat. Ich muss Unsicherheiten abwenden und unterstützend dabei sein, dass „mein“ Orchester die beste Klangqualität erreicht. Bei aller individuellen Werkauffassung strebe ich nach größtmöglicher Authentizität. Die Partitur, die ich immer vor mir habe, weil ich nie auswendig dirigiere, hat das Sagen.
Termine mit dem Bruckner Orchester: 7. Dezember 2021 und 30. März 2022 im Brucknerhaus