Am Sonntag stand als Gastdirigent Tugan Sokhiev bei den Osterfestspielen am Pult der Dresdner Staatskapelle im keineswegs vollen Festspielhaus.
Als einziger Programmpunkt die mit 80 Minuten längste aller 16 Sinfonien von Schostakowitsch: Die 7. C-Dur, op. 60, die „Leningrader“, im von deutschen Truppen eingeschlossenen Leningrad 1941 komponiert. Natürlich stand das Programm schon vor einem Jahr fest. Umso außerordentlicher, an diesem Bekenntniswerk des 35-jährigen Stalin-kritischen Komponisten festzuhalten.
Vom ersten Ton an gelang es Sokhiev in seiner unspektakulären, besonnenen Art — er dirigiert ohne „Staberl“ —, das klassisch gebaute Meisterwerk dem Großteil des Publikums erstmalig als Hörerlebnis zu vermitteln. Sogar die Staatskapelle mit ihrer großen Affinität zu Schostakowitsch hat die Siebte zuletzt vor 15 Jahren mit Franz Welser Möst aufgeführt.
Sokhiev, Mitte 40, hat ja erst vor wenigen Tagen seine Chefpositionen in Toulouse und am Moskauer Bolschoi-Theater aus Protest zurückgelegt. Was er in wenigen, aber ungemein intensiven Proben mit den Dresdnern erarbeitet hat, ist außerordentlich. Was da die einzelnen Instrumentengruppen an gemeinsamem Klang leisten, ist von höchstem Anspruch. Sogar Solostellen der 14 Sekundgeigen, auch der edle, eine Art Klagegesang der warm timbrierten zwölf Bratschen — ein Hochgenuss!
Ein Kabinettstück, wenn alle 30 Geigen unisono Kaskaden in den Raum stellen, vom dreifachen Piano bis zum Fortissimo hoch irgendwas bleibt einem schier der Atem weg. Dass alle Stimmführer, vom jungen, exzellenten Konzertmeister angefangen, in virtuosen bis sehr lyrischen Soli extra gefordert werden, ist bei diesem Komponisten ja normal.
Die Besetzung zählt hier zum eh schon großen Strauß/Mahler-Apparat, dazu noch zwei Harfen, fünf Schlagwerker und Klavier — und eine auf 27 Musiker ausgeweitete „Brass Section“ mit Trompeten, Posaunen und zehn Hörnern. Umso verklärter, aber gar nicht beruhigender, die unzähligen lyrischen Abschnitte mit herausragenden Soli der Holzbläser, aber auch von Horn und Trompete.
Orkan aus Jubel und Standing Ovations
Wie ist dieses Opus magnum zu bewerten? Als Hörer einzig und allein mit der Erkenntnis, dass ein Kunstwerk zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich wirken kann. Musik ist nicht zur Eindeutigkeit verpflichtet.
Die Siebte von Schostakowitsch ist sicherlich ein historisches Dokument von den Tiefen menschlicher Katastrophen, die aber auch eine Art Hoffnung nährt. Das Publikum war quasi „überrollt“ und erst nach einigen Schrecksekunden zu einem Orkan aus Jubel und Standing Ovations bereit.