„La Tragédie de Carmen“ heißt die Bearbeitung, die am Sonntag in der BlackBox des Linzer Musiktheaters Premiere hatte, und die will die Operngeister der Vergangenheit austreiben. Der namhafte Theaterregisseur und –produzent Peter Brook hat es auf eine verdichtete Form der Oper mit dem Fokus auf Realitätsnähe der handelnden Personen abgesehen.
Das machte die Reduzierung auf bloß vier Darsteller nötig, genauso den Verzicht auf die in der Oper nicht unwichtigen Chorszenen sowie eine nur 15-köpfige Orchesterbesetzung unter Claudio Novati für die Musik.
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Dabei bleiben immerhin essenzielle Teile der Partitur bestehen, stellenweise wird eine Klavierstimme zur Überbrückung des Handlungsablaufs eingesetzt. Die Hauptthemen sind und bleiben freilich Liebe, Eifersucht und Tod für die unaufhaltsam ihrem Schicksal ausgelieferten Personen, mögen sie noch so brutal, leidenschaftlich bei totaler Hingabe fordernder Schauspielkunst agieren.
Sehenswerte Leistung des OÖ Opernstudios
Was die Leistungen des hauseigenen OÖ Opernstudios anlangt, macht die Aufführung allein die Einstudierung unter der Regie von Gregor Horres sehenswert. Und dies auf einer fast leeren Bühne (Jan Bammes), die gleich einer Arena die Zuschauer in zwei gegenüberliegende Hälften trennt. Bei den Kostümen hielt sich Yvonne Forster an zeitliche Vorgaben, ein angenehmer Aspekt der Aufführung und nicht immer selbstverständlich.
Die größte Beachtung galt Sophie Kidwell in der Titelrolle. Hübsch, erotisch, tanzfreudig unter den Kastagnettenklängen des Orchesters, bezirzt sie die beiden Männer, berauscht vom Liebestaumel. Bis zum fatalen Ende, hat sie ihre Liebesspiele für das Freisein doch mit dem Tod zu bezahlen. Stimmlich ist ihr vielleicht etwas mehr Sorgfalt für die Intonation zu empfehlen, ansonsten ist die von Weltstars wunderbar ausgeschöpfte Altpartie bei der Sängerin sicher noch mehr ausbaufähig.
Die Micaela von Tina Josephine Jaeger ist vom Charakter her leider allzu irritierend angelegt. Eigentlich schade um ihre strahlenden Sopranhöhen und dass das brave Landmädchen und Überbringerin des Briefes der Mutter an José aus verstoßener Liebe dem Alkohol zuspricht. Ángel Vargas ist der böse Soldat, hin- und hergeworfen zwischen Pflichterfüllung und Liebesschwüren, für den es nur den Ausweg zum Mörder an Carmen gibt. Seinen Tenor hat er technisch gut im Griff, ohne mit der anspruchsvollen Partie überfordert zu werden. Beim aus Eifersucht ausgelösten Duell mit Escamillo, einer der Einschübe in der Bearbeitung, besteht Stierkämpfer Navid Taheri Derakhsh auch die gesangliche Herausforderung souverän.
Die Musik von Georges Bizet garantiert ein seltenes musikalisches Erlebnis, ist auch die Reihung der Geschehnisse etwas verdreht. Manche Arien der Originalform fehlen, am meisten die Schmugglerszene des zweiten Aktes oder die Stimmung beim Trinkgelage des Lilas Pastia. Sie hätten die Handlung vorangetrieben.
Resümee: Gravierende Unterschiede zwischen Brooks Version und der originalen „Carmen“ in Summe gibt es nicht. Aber als erste Aufführung in Österreich ist die Bekanntschaft einmal mit einer anderen „Carmen“ als der, die nach der Uraufführung in Paris 1875 für Furore sorgte, interessant genug und hat gefallen, wie es der Schlussbeifall beweisen konnte.