Eine Wanderbühne zieht üblicherweise von Ort zu Ort und präsentiert sich dem Publikum. Beim Theaterspectacel Wilhering ist es jetzt genau umgekehrt: Hier zieht das Publikum von Bühne zu Bühne. Dramaturgisch und organisatorisch eine Herausforderung, die in beeindruckender Weise gemeistert wird. Premiere war am Donnerstag im und rund um das Stift Wilhering.
„Monks“ – Mönche – ist der vergleichsweise bescheidene Titel für einen nahezu drei Stunden dauernden, aufwendigen Theaterabend. Es geht um das Stift Wilhering von seiner Gründung bis heute, also um 875 Jahre. Die wechselvolle Geschichte des Stiftes und seiner Mönche steht auch für das Schicksal vieler anderer Klöster, ja der Katholischen Kirche insgesamt.
Geschrieben wurde „Monks“ von Spectacel-Chef Joachim Rathke – er führte auch Regie – und Schriftsteller Rudolf Habringer aus Walding. Für die Ausstattung sorgte Kurt Pint, die Musik steuerte Karlheinz Schmid bei.
Zwei Besuchergruppen
Die Besucher sind in zwei Gruppen eingeteilt, mit unterschiedlicher Beginnzeit. Die Wanderung startet. Im Hof der Stiftsscheune wird die Gründungsurkunde von einem „reitenden“ Boten – ein Fahrrad als Pferd verkleidet – übergeben. Draußen auf einer Wiese beginnen die Mönche mit dem Bau des Stiftes. Leider hat Gott einen unfruchtbaren Boden ausgewählt, Hunger und Verzweiflung gewinnen die Oberhand.
Schenkungen, Geschäftstüchtigkeit der Mönche und die Abgaben der Bevölkerung lassen den ersten Stiftsbau entstehen. Das Volk aber hungert und die Mönche sind hin- und hergerissen zwischen Barmherzigkeit und der Existenzsicherung für die eigene Klostergemeinschaft. Szenen wie diese und viele andere gehen, so berichten die Theatermacher, auf reale Verhältnisse und Ereignisse der jeweiligen Zeit zurück. Nur wenig ist theatralische Fiktion.
Die Not und die Verzweiflung der Bauern werden dem Publikum hautnah vermittelt, wenn es auf seiner Wanderung oft von weinenden, schreienden und bettelnden Menschen begleitet wird. Nicht zu vergessen: Die Rolle der Frau in der Kirche – fokussiert auf eine Ordensschwester —, auch diesem Thema widmet die Produktion den notwendigen Raum. Ein historischer Schwerpunkt in „Monks“ sind naturgemäß die Themen „Reformation“ und „Gegenreformation“.
Die Stiftskirche brennt
Oberösterreich ist im 16. Jahrhundert zu 90 Prozent lutherisch, auch Mönche und Nonnen verlassen die Katholische Kirche. „Auf welcher Seite steht Gott?“, ist die zentrale Frage, die ausgerechnet in der prunkvollen Stiftskirche gestellt wird. Und die Frage wird schließlich mit Gewalt geklärt: Wer nicht katholisch ist, muss das Land verlassen! Es geht weiter in den Barocksaal, nicht zufällig, denn zu dieser Zeit ist das Barock sichtbares Zeichen für den Lebensstil des Abtes und für die Kirche insgesamt.
Ein dramatischer Höhepunkt ist im 18. Jahrhundert der Brand der Stiftskirche, beim Theaterspectacel durch feuerrotes Licht dargestellt, das aus den Kirchenfenstern leuchtet. Dazu das Knistern von brennendem Holz. Ein geradezu schauriges Erlebnis für die Besucher im Stiftshof. Und nicht minder schaurig: Die beiden Brandstifter landen auf dem Scheiterhaufen. Letzte Bühne: in der Scheune des Stiftes. Zeit: 1945. Und die Mönche wissen nicht, wie sie mit dem Unvorstellbaren umgehen und weiterleben sollen, das im Nationalsozialismus geschah. Auch kein Spezifikum der Kirchenleute.
65 Mitwirkende
Die Leistung der Schauspielerinnen und Schauspieler – es sind deren 25 – ist beeindruckend, müssen doch die meisten von ihnen bis zu drei recht unterschiedliche Rollen verkörpern. Abgesehen von den Darstellern sind noch an die 40 Personen mit der Organisation befasst, also insgesamt rund 65 Mitwirkende. Das wurde bei der Premiere auch gebührend gewürdigt, anhaltender Applaus, aber sicher auch Nachdenklichkeit im Publikum nach dem Gang durch das Stift und 875 Jahre Kirchen- und auch Sozialgeschichte.