Im Jahr 1521 wurde in Nimwegen Peter Kanis geboren, Sohn eines hochangesehenen Bürgers, der jahrelang auch Bürgermeister der Stadt war. Die öffentliche Laufbahn war für ihn vorprogrammiert, dementsprechend schickte ihn der Vater zum Jusstudium an die Kölner Universität. Doch es sollte anders kommen, schreibt Autor Moosbrugger: „Peter hatte sich schon in Nimwegen in einem Milieu bewegt, das vom Streben nach spiritueller Innigkeit bestimmt war, und er hatte sich darin offenbar wohlgefühlt wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser“.
Folgerichtig bereitete sich Peter Kanis auf ein Leben als Mönch bei den strengen, weltabgewandten Kartäusern vor. Doch wieder sollte es anders kommen. Peter Kanis kam in Kontakt mit dem damals noch jungen Orden der Jesuiten, der erst 1540 offiziell päpstlich anerkannt worden war. Mit 22 Jahren trat Peter Kanis den Jesuiten bei, fasziniert von deren Zielen: „Sie engagierten sich kirchlich und kirchenpolitisch und nahmen mit großem Selbstbewusstsein Einfluss auf Päpste, Kardinäle und Bischöfe“ (Moosbrugger). Vor allem aber waren die Jesuiten auch große Prediger in den Kirchen ebenso wie auf den Straßen und Plätzen.
Und zu seiner Zeit der bedeutendste dieser Prediger wurde Peter Kanis, der sich inzwischen Petrus Canisius nannte. Er dürfte im Laufe seines Lebens Tausende Predigten gehalten haben, nicht selten mehrere Stunden lang. Besonders erfolgreich war Canisius als Augsburger Domprediger und auch als Hofprediger in Wien, oft vor riesigen Menschenmengen.
Von Anfang seiner öffentlichen Tätigkeit an gab es für Petrus Canisius ein großes Anliegen: die Gegenreformation und damit die Erneuerung des Katholizismus im römisch-deutschen Reich! So wurde er zu einem Wanderer zwischen zwei Welten, „der Welt der althergebrachten kirchlichen Traditionen, die für ihn so wertvoll waren, und der Welt der religiösen Aufbrüche im Reformationsjahrhundert, die ihn so massiv herausforderten“, erläutert Autor Moosbrugger. Der Begriff „Wanderer“ ist übrigens auch wörtlich zu verstehen, Petrus Canisius dürfte von 1550 bis 1570 im Schnitt etwa 2000 Kilometer pro Jahr – vorwiegend zu Fuß – unterwegs gewesen sein, als „Organisator“ und „Macher“ der Wiederbelebung und Erneuerung der katholischen Kirche.
Berater der Mächtigen
Dabei war er auch in wichtige politische und kirchliche Ereignisse eingebunden, so nahm er am Wormser Reichstag und auch am Konzil von Trient teil. Kaiser, Könige und Herzöge hörten auf seinen Rat, zumal ja Religionspolitik damals alle maßgeblichen Lebensreiche umfasste. Ein besonderes Anliegen war ihm der Aufbau des Schulwesens, er schuf zahlreiche Jesuitenkollegien im deutschsprachigen Raum und wurde so zu einem der Mitbegründer des Rufes der Jesuiten als Schulorden.
Eigentlich erstaunlich, dass Petrus Canisius auch noch Zeit fand, Bücher zu schreiben. Und was für welche! So zum Beispiel eine zweibändige Bibelauslegung auf Lateinisch mit insgesamt 2000 Seiten, gedacht als Predigthilfe für die Landpfarrer. Und vor allem schrieb er den „Großen Katechismus“ aus dem Jahr 1555, der binnen kurzer Zeit zu einem wahren Bestseller wurde. Allein zu Lebezeiten von Petrus Canisius kamen rund 350 Auflagen heraus, bis ins 20. Jahrhundert hinein war der Katechismus noch in Verwendung und brachte es damit auf insgesamt 832 Auflagen. Die historische Bedeutung dieses Werkes bleibt unbestritten, auch wenn heute das Genre des „Katechismus“ in dieser Form als überholt gilt.
Theologische Grobheiten
Glücklicherweise darf auch heute als gänzlich überholt angesehen werden, wie im Zeitalter des Petrus Canisius Katholiken und Protestanten miteinander umgingen. Ökumenisches Denken war völlig fremd, im Gegenteil, gerade Petrus Canisius hat ja das Luthertum als Wurzel des Niedergangs des Katholizismus gesehen. Und im öffentlichen Diskurs schenkten Katholiken und Protestanten einander nichts. In Briefen nennt Petrus Canisius die Protestanten „Feinde Christi, Plagegeister der Kirche und Diener des Satans“. Umgekehrt ist Canisius für die protestantischen Theologen ein „gräußlicher Gotteslästerer und grober Tölpel“ sowie ein „Götzendiener“ und Papstesel“. Alles in allem ein, wie es Moosbrugger formuliert, „kontroverstheologischer Grobianismus“, der nur aus dem Geist des 16. Jahrhunderts heraus zu erklären ist.
Hexenhysterie
Ein anderer Aspekt des Lebens und Wirkens von Petrus Canisius ist heute völlig unverständlich und eine der wirklichen Schattenseiten dieses Heiligen: seine tief sitzende Magie- und Hexengläubigkeit! Zwar hat Petrus Canisius diese Formen des Aberglaubens nicht erfunden, aber sie mit – so Moosbrugger – „einer systematischen Pseudotheologie vermischt“ und damit in einer breiten Öffentlichkeit populär gemacht. Insofern trägt Petrus Canisius Mitverantwortung an einer Hexenhysterie mit ihren fürchterlichen Folgen für unzählige Frauen. Das sei „die große tragische Schuld“ im Leben dieses bedeutenden Theologen und Reformers im 16. Jahrhundert, schreibt Moosbrugger.