„Eigentlich kann ich nur lesen, wenn ich schreibe“: Dieses Zitat von Marlen Haushofer (1920-1970) ziert den Schuber, in den die eben erschienene sechsbändige Werkausgabe der Autorin verpackt ist.
„Unter den österreichischen Autorinnen und Autoren, die als Klassiker des 20. Jahrhunderts gelten, war sie die einzige, die noch keine Werkausgabe hatte“, sagt die Germanistin und und Haushofer-Biografin Daniela Strigl. Dank des Claassen Verlags und der Hilfe des Adalbert-Stifter-Institut des Landes OÖ gibt es damit eine neue Chance, Haushofer zu entdecken. Die Romane, die zum Teil nicht mehr lieferbar waren, sowie erstmals auch alle in einem Band versammelten Erzählungen sind nun in einer 2,8 Kilogramm schweren Box erhältlich.
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Jeder Band hat andere Herausgeber, die eine wissenschaftliche Einordnung vornehmen, und andere Autoren, die in einem Vorwort ihre persönlichen Bezüge zu der im oö. Frauenstein Geborenen schildern. So erklärt Clemens J. Setz die Erzählungen zum „Herz ihres Werks“ und bekennt: „Jeder hat wohl irgendwann sein ,Wand´-Erlebnis.“ Der 1963 erschienene Roman, in dem eine Frau sich plötzlich von einer unsichtbaren Kuppel umgeben wiederfindet und alleine ihr Weiterleben bewältigen muss, sei zweifellos Haushofers Hauptwerk, sagt auch Strigl, die den Wand-Band als Herausgeberin verantwortet.
Mit der ungleich bekannteren, sechs Jahre jüngeren Kollegin Ingeborg Bachmann habe Haushofer die schonungslose Diagnose über die vergifteten Geschlechterverhältnisse und die muffige Bürgerlichkeit der Nachkriegszeit geteilt, doch ihre Modernität sei nicht auf den ersten Blick sichtbar, meint Strigl. Einerseits stehe bei ihr die Sprache weniger im Vordergrund, andererseits habe sie „ihr Licht selbst unter den Scheffel gestellt“. Dabei sei ihr „Selbstbild als schreibende Hausfrau“, das auch spätere Germanisten zur Unterschätzung verleitete, nichts anderes als die Beschreibung einer Lebensrealität gewesen, die in den 50ern und 60ern neben vielen anderen Frauen auch auf die Zahnarztgattin Marlene Haushofer zutraf.
„Während sie Ingeborg Bachmann hinter ihrem Rücken tanzen sah, fühlte sie sich unsichtbar“, schreibt Monika Helfer in ihrem Vorwort zu „Himmel, der nirgendwo endet“. Der 1966 erschienene Roman ist für Strigl einer der besten Texte Haushofers. Vier Jahre später starb die Autorin — kurz vor ihrem 50. Geburtstag.