„A different man“: Wenn das Gesicht das Leben bestimmt

Der Schauspieler spielt einen entstellten Mann © APA/AFP/PRESLEY ANN

Bestimmt das eigene Gesicht das Leben? Öffnet es Türen und verschließt andere? Ja und nein, ist man nach dem Film „A different man“ von Aaron Schimberg geneigt zu sagen. Der Streifen dreht sich um einen Mann mit Neurofibromatose, sein Gesicht ist mit Tumoren übersät. Durch eine neuartige Therapie wirft er sie ab und entledigt sich seines alten Ichs. Als das Schicksal ihm eine Art Alternativszenario seiner Vergangenheit präsentiert, gerät er ins Wanken. Ab Freitag im Kino.

Wo A24 drauf steht, riecht es nicht selten nach Erfolg. Das US-amerikanische Produktionsstudio hat sich im Lauf der Zeit mit ungewöhnlichen Filmstoffen, die hipp verpackt werden, einen Namen gemacht und zahlreiche Publikumshits („Everything Everywhere All at Once“, „The Lighthouse“, „Moonlight“, „Past Lives“, „Midsommar“) gelandet. Auch im Falle von „A different man“ hatte das Studio den richtigen Riecher, erhielt doch Hauptdarsteller Sebastian Stan bereits den Darstellerpreis bei der Berlinale. Die eine oder andere weitere Auszeichnung würde nicht verwundern, schafft es Schimbergs Werk doch, spannende Fragen aufzuwerfen und gleichzeitig wunderbar zu unterhalten.

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Edward (Sebastian Stan) steht im Zentrum der Handlung. Er führt ein tristes Leben in einer heruntergekommenen New Yorker Wohnung. Mit seinem von Tumoren deformierten Gesicht erntet er auf der Straße und in den Öffis unangenehme Blicke. Seine Schauspielversuche gestalten sich ernüchternd, und der Bereich der Liebe beschränkt sich auf Wunschvorstellungen. Auch die neue Nachbarin Ingrid (Renate Reinsve) erschreckt sich zunächst kurz, als sie Edward erblickt, entwickelt aber bald Interesse für den entstellten Mann.

Eine neuartige Therapie ändert alles. Edward wirft die Geschwüre ab, was in kurzen Bodyhorrorszenen eindrücklich festgehalten wird, und entledigt sich sogleich auch seines alten Ichs. Da ihn niemand mehr erkennt – inklusive Ingrid – gibt er vor, Edward habe Suizid verübt und geht fortan erfolgreich im Job und bei den Frauen sowie mit neuer schöner Wohnung durchs Leben.

Doch seine Vergangenheit holt ihn ein, als Ingrid Schauspieler für ihr neues Theaterstück sucht, das auf den Begegnungen mit Edward basiert. Edward stolpert zufällig ins Casting und soll sogleich sich selbst spielen. Als ein weiterer Interessent namens Oswald (Adam Pearson) für die Rolle auftaucht, dessen Gesicht – ähnlich zu Edwards einstigem Ich – mit Tumoren übersät ist, gerät Edwards Welt aus den Fugen. Nicht nur droht er die Rolle seines Lebens an den offenen, lebensfrohen, freundlichen Konkurrenten zu verlieren, auch Ingrid zeigt an dem Mann Interesse.

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Ist all das eher Tragödie oder Komödie? Schwer zu sagen. Der Film lässt sich ebenso wenig festnageln wie die herrlich von Reinsve gespielte undurchschaubare Theaterregisseurin. Was treibt sie an? Sind es aufrichtige Gefühle, die sie für Edward und später Oswald verspürt? Ist es Neugier, ein Fetisch oder Mitleid, das sie antreibt? Oder verwendet sie die Männer einfach als Futter für ihre Theaterstücke?

Fest steht, dass Ingrid mit ihrem Stück Edward gehörig aus der Bahn wirft und er schonungslos mit Fragen rund um seine Identität konfrontiert wird. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass man selbst – oder das frühere Ich – von einer anderen Person besser gespielt wird, die einem noch dazu den Spiegel zu einer alternativen, fröhlicheren Vergangenheit vorhält.

Es sind große Fragen, denen sich Schimberg widmet. Der Regisseur wurde mit einer Gaumenspalte geboren und konnte sich nach eigenen Angaben nie mit einer Filmfigur identifizieren. Mit Edward hat er nun eine komplexe Figur und mit „A different man“ einen spannenden Film geschaffen, bei dem man nicht so recht weiß, ob man lachen oder weinen soll.