„Å øve – Üben, üben üben“: Per Anhalter durch Norwegen

Laurens Pérols Regiedebüt als Roadtripmovie zwischen Klimaaktivismus und Leidenschaft für die Musik

Ausgestattet mit Blasinstrument und Zelt streckt Trine in Laurens Pérol „Å øve – Üben, üben üben“ am Straßenrand ihren Daumen in die Höhe. Die 18-jährige Trompeterin wurde zu einem Vorspiel in die Osloer Oper eingeladen. Es gibt nur ein Problem: Sie wohnt auf den Lofoten, die rund 1.500 Kilometer von der norwegischen Hauptstadt entfernt liegen. Aus Prinzip kommt Fliegen für die Klimaaktivistin nicht infrage. Es beginnt eine abenteuerliche Reise.

Um ihr Ziel zu erreichen, muss sie auf die Hilfsbereitschaft Fremder setzen. Mitten in der Eiseskälte oder vor Kühen als Publikum übt Trine (Kornelia Melsæter) zwischen den per Autostopp organisierten Fahrten für das Vorspiel vor ihrem Idol Tine Thing Helseth.

Fünf Tage bis Oslo und einem fehlerlosen Spiel

Fünf Tage hat sie Zeit, nicht nur nach Oslo zu kommen, sondern auch Astor Piazzollas „Oblivion“ fehlerlos zu spielen. Die Parallelen zwischen Trompete spielen und Klimaaktivismus werden schnell deutlich: Für beides benötigt man Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit. Trines Disziplin wird stetig auf die Probe gestellt. Entweder weht es inmitten eines nebeligen Feldes die Notenblätter davon oder sie springt aus dem Auto eines Klimawandelleugners, der versucht, ihr die Welt zu erklären.

Wettlauf gegen die Zeit

Mit voranschreitender Reise steigt auch Trines Verzweiflung. Denn nicht nur das Metronom tickt, sondern auch die Uhr. Die Zeit rinnt ihr praktisch durch die verfrorenen Finger. Wird sie es rechtzeitig zu ihrem Vorspiel schaffen oder ist es schon längst zu spät? Der Wettlauf gegen die Zeit wird indes auditiv durch die Übertragungen einer Gerichtsverhandlung im Autoradio untermauert. Klimaaktivistinnen und -aktivisten klagten gegen Norwegen wegen Ölbohrungen in der Barentssee. Die Urteilsverkündung soll am selben Tag wie Trines Vorspiel stattfinden.

Die Landschaft steht für die Gefühlswelt

Anhand Bilder einer rauen und zugleich atemberaubend schönen Landschaft vermittelt der derzeit in Wien lebende und arbeitende deutsche Regisseur Pérol in seinem Regiedebüt die Gefühlswelt seiner Hauptfigur. In den schneebedeckten Gipfeln der Lofoten und dem stürmischen, eisigen Meer spiegelt sich Trines innere Zerrissenheit wider.

Ein Auf und Ab zwischen Zuversicht und Hoffnungslosigkeit, was die Hauptdarstellerin Kornelia Melsæter gekonnt in Szene zu setzen weiß. Fast schon dokumentarisch begleitet der Film seine Protagonistin auf ihrem Weg. Das mag auch an Pérols Art des Filmemachens liegen, die er selbst im APA-Interview als „method directing“ bezeichnet. Als kleine Crew haben sie die weite Strecke auf der E7 vom Norden in den Süden Norwegens selbst zurückgelegt und konnten so spontan beeindruckende Motive und Momente einfangen.

„Å øve – Üben, üben üben“ wirft dabei aber vor allem die Frage nach dem individuellen Umgang mit Klimaschutz auf: Was bin ich bereit zu opfern, um meinen Idealen treu zu bleiben? Und ist es überhaupt noch möglich, etwas zu verändern?

Aufgeben ist keine Option

Trines Geschichte zeigt eindrücklich, dass man bei diesem schier unmöglichen Kampf an die eigenen Grenzen stoßen kann – aber dass Aufgeben trotzdem keine Option ist. Geschickt verknüpft der Film die persönliche Reise der Protagonistin mit größeren gesellschaftspolitischen Fragen.

Trines Reise kann man auch als Sinnbild für den Wettlauf gegen den Klimawandel deuten. Dass die Zeit nicht nur der Hauptfigur des Films davonläuft, sondern auch uns als Gesellschaft, dürften die verheerenden Unwetter der vergangenen Wochen zeigen.

Von Sarah Heidenreich

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