So stark, so lange, so laut bebten die Wände schon lange nicht mehr von den Applausstürmen des randvollen Hauses. Das Linzer Brucknerhaus feierte am Freitag mit dem ersten Abend der beiden Festkonzerte zum 50er. Und das in Krisenzeiten ungeklärter Führungsfälle, die gar nicht nach Feiern verlangen. Aber Geburtstage kann man nicht verschieben.
Die Vorbereitungen, verständnisvoll, fachkundig und lange vor den unguten Ereignissen geschehen, mussten unberührt davon beendet werden und waren auch mehr als verdient für dieses, eines der schönsten Konzerthäuser Europas. Schon im Foyer begegnet man zeitgeschichtlichen Zeugnissen über Konzerte und Künstler vergangener Jahrzehnte, die Ausstellung „Sinfonie aus Glas und Stahl“ eröffnete oben das Ereignis mit dem traumhaften Blick auf die Donau.
Uraufführung in kriegerischer Klangstärke
Dann hatte die Musik das Wort, und dies mit einem dem Anlass gerecht werdenden Programm in einer Extraauswahl, mit der Bruckner selbst seine Freude gehabt hätte. Zum Anfang – wie schon im Eröffnungsjahr 1974 von Gottfried von Einem angeregt – eine Uraufführung des Linzer Komponisten Rudolf Jungwirth (Jg. 1955), der sich mit fünf Stücken von „fiktiven Briefen“ an Mozart, Beethoven und freilich Bruckner auseinandersetzte: gekonnt und erfahren verfasste kontrapunktische Studien harmonisch gefälligen Erfindungsgeistes, die in eine neoklassizistische Richtung weisen. Die typische markante Sprache Jungwirths ist nicht so klar auszumachen wie bei seinem sonstigen Schaffen. Vielleicht lenkte die Ehrfurcht vor Bruckner seine Feder zu einer eher sparsamen harmonischen Linie, der Komponist setzte mehr auf kriegerische Klangstärke bei dem Riesenorchester, was weiteren Aufführungen des neuen Werkes vielleicht im Wege stehen könnte.
Kriegstöne waren zu verbannen, das unantastbare Bruckner Orchester und sein Chefdirigent setzten den Konzertabend fort mit Beethovens 8. Sinfonie in F-Dur unter Begeisterungsstürmen des Publikums. Markus Poschner deutete alle Sätze mit einer faszinierenden Leidenschaft, führte siegreich das Orchester aus einer Lebensfreude für Bruckners Haus, alle vortragsbezeichnenden Qualitäten in feiner Dynamik und Phrasierung hervorholend. Beethoven schrieb das in Linz beendete Werk aus 1814 ja auch in einem Schaffenshoch. Die Worte des Bonner Meisters trafen haargenau die Situation des Brucknerhauses: „Stärke der Gesinnung, des inneren Friedens über alles … Sieg“.
Als wäre es für Poschner geschrieben
Viel später, nämlich erst 1865, mit 41 Jahren, hatte Bruckner seine Sinfonie Nr. 1 vorgestellt, wie üblich nicht gleich in der Urform. In der Tonart c-Moll von kämpferischer Größe erfüllt, aber für Poschner, den Bruckner-Exegeten, besonders heuer, so scheint’s, speziell geschrieben, wie durch eine Seelenverwandtschaft ihm verbunden. Wie kann sonst seine feurige Schlagtechnik, die flammende, blitzartige Armbewegung bis zu den Fingerspitzen Bruckners Geheimnisse so echt enträtseln, eine solche rauschhafte Benommenheit im Finale auslösen, die in Geburtstagsjubel mündete. Alle Widerstände im Finale waren überwunden, wobei natürlich das Bruckner Orchester seinen mitgehenden Beitrag dazu leistete. Man wird dieses wunderbare Erlebnis nicht vergessen.
Von Georgina Szeless