„Es wird erst dann eine Komponistin geben, wenn der erste Mann ein Kind bekommen hat“, kein Geringerer als Johannes Brahms (1833 – 1897) sagte das über Ethel Smith (1858-1944), sich darauf besinnend, dass sie eine Frau war, als er sich ertappte, dass er die Kompositionen der Engländerin beachtlich fand. Komponistenkollege Sir Georg Henschel hingegen sah in ihr eine „meteorgleiche Erscheinung“. Bedeutende Männer kreuzten ihren Weg, Tschaikowsky, Gustav Mahler, Hermann Bahr oder G.B. Shaw, der befand, ihre Musik sei männlicher als die von Händel. Smyth ließ sich von den Männern nicht beirren und wollte Ihre Kompositionen als „Geschlechtslose Punkte und Striche auf liniertem Papier“ betrachtet wissen.
Die professionelle Märchenerzählerin Claudia Edermayer folgte den Spuren der Ethel Smyth bis London, über Berlin, Leipzig und Wien. Zusammen mit Pianistin Martina Haselgruber entstand in der Regie der Tanzpädagogin Christine Maria Krenn die szenische Erzählung „Der Sturmvogel“. Premiere war am Dienstag im Mittleren Saal des Posthofs
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In der Rolle der Protagonistin tänzelt Edermayer durch die Episoden, erklärt, beschreibt, spielt und erzählt chronologisch. Als vorzügliche Schauspielerin belebt sie Ereignisse und Liebschaften, deren Leidenschaft und Kummer sich in Kompositionen niederschlugen. Diese musikalischen Manifeste macht Martina Haselgruber am Klavier allgegenwärtig.
Als Jugendliche kämpfte Ethel Smyth gegen ihren Vater um ihr Studium in Leipzig, als Künstlerin um die Aufführungen ihrer Werke. Sie schrieb zehn Biografien, komponierte Opern, eine Sinfonie, ein Konzert, zahlreiche Chor- und Orchesterwerke, Lieder und Kammermusik. Aufgeführt wurden ihre Kompositionen u. a. in Großbritannien, Wien und New York mit wechselndem Erfolg.
Unangepasst, selbstbewusst, visionär
Im viktorianischen Zeitalter war sie unangepasst, selbstbewusst, lesbisch, visionär. Das glatte Gegenteil von dem, was man sich unter einer anständigen Dame vorstellte. Sie ging mit den Suffragetten auf die Straße und teilte das Bett mit der feministischen Frontfrau Emmeline Pankhurst. Landete im Gefängnis, als sie im Kampf um das Frauenwahlrecht mit mehr als hundert Gefährtinnen an der Londoner Oxford Street Fensterscheiben zerstörte.
Ihre letzte große, aber unerwiderte Liebe galt der 24 Jahre jüngere Virginia Woolf, mit der sie eine jahrzehntelange Freundschaft und einen jahrzehntelangen Briefwechsel pflegte. Woolf meinte: „Sie ist vom Stamm der Pioniere, der Bahnbrecher. Sie ist vorausgegangen und hat Bäume gefällt und Felsen gesprengt und Brücken gebaut und so den Weg bereitet für die, die nach ihr kommen“.
Feine Inszenierung! Posthum also eine sehr erfolgreiche Premiere der wiederbelebten Komponistin, Feministin und Autorin Ethel Smyth.
Von Eva Hammer