Ausstellung 500 Jahre Geschwister in der Kunst eröffnete im Lentos

Am 25. Mai eröffnete im Linzer Lentos Kunstmuseum die Ausstellung „Sisters & Brothers“, die sich in rund 120 Werken mit dem facettenreichen Thema der Geschwisterbeziehung beschäftigt. Beginnend im 16. Jahrhundert beleuchten die Exponate nicht nur die Verhältnisse zwischen Geschwistern, sondern auch die Bedeutung des gemeinsamen Heranwachsens sowie der Veränderung der Geschwisterlichkeit im Laufe der letzten fünf Jahrhunderte.

Nicole Fritz, Direktorin der Kunsthalle Tübingen, entwickelte die Ausstellung, die unter der Leitung von Co-Kuratorin Elisabeth Nowak-Thaller in Linz durch zahlreiche Stücke der Linzer Kunstmuseen erweitert wurde. Bis zum 17. September können die Werke namhafter Künstler wie Egon Schiele, Margret Bilger, Nicholas Nixon, VALIE EXPORT oder Cindy Sherman im Lentos bestaunt werden. Mit den vorangegangenen Expositionen „Rabenmütter“ und „Wilde Kindheit“ bildet die aktuelle Werksammlung eine schlüssige Trilogie zu den Themen Familie und Zusammenleben. „Dieses höchst interessante, persönliche und unglaublich viele Menschen betreffende Thema wird im Rahmen dieser Ausstellung erstmals künstlerisch aufgearbeitet“, freuen sich die beiden Kuratorinnen.

Lesen Sie auch

Den chronologischen Anfang machen dabei mythologische und religiöse Darstellungen von Geschwistern aus dem 16. und dem frühen 17. Jahrhundert. In diesem ersten Kapitel treten hauptsächlich weithin bekannte Brüderpaare wie Kain und Abel, Kastor und Pollux sowie Romulus und Remus auf. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Entdeckung der Geschwisterliebe in der Romantik, nachdem Geschwisterdarstellungen zuvor hauptsächlich in höfischem Kontext Repräsentationszwecken dienten. Mit der Verbürgerlichung hält die Idealisierung der Familie und der damit verbundenen Zuneigung Einzug in die Kunst.

Im 19. Jahrhundert rückte der Nachwuchs ins Zentrum der Gesellschaft und damit auch der Kunst. Im dritten Kapitel dreht sich daher alles um bürgerliche Geschwisterporträts und die Art der Darstellung familiärer Beziehungen. Das vierte Kapitel erforscht die Einflüsse der beiden Weltkriege. Schwestern und Brüder werden zu einander stärkenden Schicksalsgemeinschaften, die Seele der Porträtierten und ihre seelischen Empfindungen rücken in den Mittelpunkt. Auch die Trauer um verlorene Geschwister wird in dieser Epoche zu einem zentralen Objekt.

Das fünfte Kapitel steht ganz im Zeichen der jugendlichen Rebellion gegen die konservativen Werte der Nachkriegszeit. Unter anderem werden Ausschnitte aus dem tschechoslowakischen Film „Tausendschönchen“ gezeigt, der in der sozialistischen Republik im Erscheinungsjahr 1966 als anarchistisch gebrandmarkt wurde und seiner Regisseurin sechs Jahre Berufsverbot einbrachte. Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit Geschwistern im gesellschaftlichen und familiären Spannungsfeld der Moderne. Ein Rückblick auf die letzten 500 Jahre erlaubt dem Betrachter, viele Parallelen zur modernen Zeit zu ziehen. So schlägt der Wunsch nach harmonischer Gemeinschaft heute wie schon in der Romantik auch auf die Beziehung zwischen Geschwistern über. Mit ebendiesem Drang nach Harmonie und was Zwillinge damit zu tun haben, beschäftigt sich das siebente und letzte Kapitel.

Die Eröffnung der Ausstellung am Abend ist gleichzeitig die Geburtstagsparty für das Haus an der Donau. Das Lentos – der keltische Begriff bedeutet an der „Krümmung des Flusses liegend“ – ist heuer 20 Jahre alt geworden. Gefeiert wird bei freiem Eintritt und, sofern es das Wetter zulässt, unter freiem Himmel vor bzw. unter dem Lentos. Am Programm steht unter anderem ein Konzert des oberösterreichischen Popduos Bibi Finster, anschließend sorgt DJ Andaka für Tanzstimmung.

Am 18. Mai 2003 war das Haus nach dem Entwurf der Schweizer Architekten Weber & Hofer eröffnet worden. Der damalige Direktor Peter Baum überführte von der Neuen Galerie 1.320 Werke aus den Bereichen Malerei, Skulptur sowie Objektkunst, 10.000 Zeichnungen, Aquarelle, Radierungen, Lithografien und rund 500 fotokünstlerische Werke in das Lentos. Der Grundstock der Sammlung geht im Wesentlichen auf die Sammlung des Berliner Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt zurück. Die langjährige Direktorin Stella Rollig machte das Lentos in den Folgejahren zu einem der bedeutendsten Museen moderner und zeitgenössischer Kunst in Österreich, bevor sie 2017 als Generaldirektorin ans Belvedere nach Wien wechselte. Seitdem führt Hemma Schmutz das Haus an der Donau.