Bechtolf spielt Kafka: „Erhellend komisch und rabenschwarz zugleich“

Der Schauspieler und Regisseur über seinen Auftritt am 9. August bei den Salzkammergut Festwochen

Sven-Eric Bechtolf (66), internationaler Opern- und Schauspielregisseur, vor allem aber einer der bekanntesten deutschsprachigen Schauspieler, gestaltet am 9. August aus zwei Erzählungen Kafkas einen Theaterabend im Rahmen der Salzkammergut Festwochen in Gmunden. Welche Bedeutung Kafka für ihn hat und warum man sich die Inszenierung unbedingt ansehen sollte, erzählt Bechtolf im VOLKSBLATT-Interview.

VOLKSBLATT: Herr Bechtolf, warum sollte man Ihren Kafka-Abend keinesfalls versäumen?

SVEN-ERIC BECHTOLF: Kafkas wegen. Beide Texte sind erhellend komisch und rabenschwarz zugleich, und daher, wie ich hoffe und glaube, sehr unterhaltsam.

Wie sind Sie auf diese Textauswahl gekommen? Warum gerade der Affe aus Kafkas reicher Tierwelt?

Ich habe als junger Schauspieler den alten Dachs in „Der Bau“ gespielt – von dem Affen habe ich seither geträumt, den war ich mir gewissermaßen noch schuldig.

Welche Bedeutung hat Franz Kafka für Sie?

Er war und ist ein beunruhigender Begleiter. Oft habe ich über seinen abgründigen Witz gelacht – Max Brod nannte das „religiösen Humor“- und oft hat er mir geradezu Angst eingeflößt.

Rotpeter, ein Affe, der sich menschliches Verhalten angeeignet hat, beginnt seine Rede mit: „Ihr Affentum, meine Herren, sofern Sie etwas Derartiges hinter sich haben, kann Ihnen nicht ferner sein als mir das meine.“ Was ist das Reizvolle an dieser Affenpersönlichkeit, dieser Affennatur?

Die vollbrachte Leistung der Assimilation, der Verlust der Natur, das Isoliertsein in einer Gesellschaft oder einer Kultur, der er trotz aller verzweifelter, heroischer Anstrengung nie angehören wird und die daraus resultierende Wildheit und Trauer, die Enttäuschung, die listige, einsame Schlauheit … das ist sicher das Anziehende – jedenfalls für mich.

Welche Identifikation ist stärker, die mit der akademischen Gesellschaft oder die mit dem einstigen Affen?

Es bietet wohl keiner der beiden Pole mehr die Möglichkeit zur Identifikation.

Welche Charakterzüge mögen Sie an Ihrem Rotpeter?

Die Wehmut und die Frechheit.

In Gefangenschaft geht es dem Affen nicht um Freiheit, sondern um das Finden eines Auswegs. Wie sehen Sie den Gedanken „Ausweg“ als Überlebensstrategie angesichts unserer derzeitigen Welt?

Rotpeter beschreibt das als „sich in die Büsche schlagen“. Also eine Art versteckte, abtrünnige, randständige Existenz zu wählen. Freiheit verlangt er nicht, weil er nicht an sie glaubt. Das kann ich nachvollziehen.

Wie wichtig sind Liebe und andere Zwischenmenschlichkeiten in so einem Szenario?

Darauf geht der zweite Text „Eine kleine Frau“, den ich ebenfalls an diesem Abend vortragen werde, genauer ein. Er beschreibt das neurotische Beziehungserleben des „zivilisierten“ Mannes.

Sie gastieren nicht das erste Mal bei den Festwochen: Welchen Bezug haben Sie zum Salzkammergut?

Wahrscheinlich einen sentimental-touristischen: So schön ist es da!!!!

Sie haben in Salzburg studiert und waren bei den Festspielen intensiv aktiv. Würden Sie dorthin als Regisseur und/oder Schauspieler gern wieder zurückkehren?

Ich liebäugle nicht mit einer „Rückkehr“. Ich habe hier viel, sehr viel erlebt, das lässt sich nicht mehr steigern. Aber ich werde immer gern zu Besuch kommen.

 Gibt es Film- und Fernsehpläne oder arbeiten Sie vielleicht auch wieder an einem Buch?

Für meine Verhältnisse habe ich ziemlich viel gedreht in den letzten Jahren und habe außerdem recht fleißig inszeniert, geschrieben, gespielt und vorgetragen. Und so bleibt es hoffentlich noch ein Weilchen.

Interview: Melanie Wagenhofer

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